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Pro & Contra: Nachts im Innenstadtbereich Berlins Tempo 30?

Nächtliche Tempo-30-Abschnitte auf Hauptstraßen sollen Anwohner vor dem Autolärm schützen. Sinnvolle Einschränkung oder Regulierungswahn des Senats?

Pro

Jeder hat es in der Hand - genauer: im rechten Fuß. Wieso muss das Gaspedal bis zum Anschlag durchgetreten werden? Um noch schneller auf die rote Ampel zuzubrettern? Anwohner um den Schlaf zu bringen? Die Luft auch nachts zu verpesten? Am Freitag haben die Vereinten Nationen einen Bericht zur Lage des Weltklimas vorgelegt. Ergebnis: Die Katastrophe kommt. Die Öffentlichkeit ist schockiert - und beim Zuschlagen der Autotür ist alles vergessen. Doch das Klima vergisst nichts. Jeder kann seinen Beitrag leisten, und das kostet nicht einmal was. Im Gegenteil, es spart Benzin und damit Geld. Dennoch wird jetzt ernsthaft diskutiert, ob nachts zum Lärmschutz auf wenigen Kilometern Tempo 30 eingeführt wird. Schon die Diskussion ist ein Unfug: Dass Lärm krank macht, wissen wir seit langem. Man muss nur nachts einmal das Fenster aufmachen in der Innenstadt: Es rauscht. Selbst weitab von Hauptstraßen ist der Lärmpegel erheblich. Tempo 30 sollte für die Nachtstunden flächendeckend eingeführt werden, die Stadtautobahn kann ja mit "50" separat ausgeschildert werden. Dass alle Tempo 30 einhalten, erwartet ohnehin niemand, aber dann geht der Autofahrer wenigstens bei 50 vom Gas. Derzeit ist es ja Standard, dass ein 50er-Limit auf 70 gedehnt wird. Eine stadtweite Tempo-30-Zone würde gleichzeitig gut vorbereiten auf das, was wegen der Klimakatastrophe ohnehin kommt: Fahrverbote, Autoverbote, Strafsteuern etc. Das mag sich nur noch niemand vorstellen. Jörn Hasselmann

Contra

Berlin ist, verglichen mit anderen Metropolen, eine eher ruhige Stadt. Das bedeutet nicht, dass sie durch mehr Lärm noch weltstädtischer würde. Es bedeutet aber, dass der Senat mit seiner Neigung zum Regulieren und Abkassieren sich mit Tempo 30 in eine Sackgasse bewegt. Es dürfte nicht viele Bewohner geben, die ihr Schlafzimmer zur Hauptverkehrsstraße hin liegen haben. Die Hardcore-Schläfer, die sich vom Dauerautoverkehr nicht stören lassen, werden von den drei oder sieben Phon weniger Lautstärke nicht tiefer schlafen. Die neuen Tempo-30-Zonen dienen einem anderen Zweck: Sie verstärken die Botschaft, dass Autofahrern die Fortbewegung in der Stadt schwer gemacht werden soll. Und auch wenn die Polizei es nicht zugibt und Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer natürlich nur die Berliner Lebenskultur im Sinn hat: Tempo-30-Zonen eignen sich bestens zur Herstellung von Temposündern und zur Füllung der Berliner Landeskasse. Selbstverständlich müssen Tempolimits sein, und wer es ernst meint mit der Umwelt und dem Lärmschutz, verzichtet auf feiste Luxusschleudern mit 300-PS-Diesel, natürlich ohne Partikelfilter, dafür von Akustik-Ingenieuren auspuffsoundoptimiert. Für eine Berliner Klimaabgabe aber - zu kassieren von den Fahrern eben dieser Autos - fehlt den Regierenden der Mut. Also werden alle im Kollektiv genervt. Willkommen in der Schnarcher-Metropole Berlin. Werner van Bebber ()

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