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Pro & Contra: Soll das Land die S-Bahn kaufen?

Berliner und Berlin-Besucher erfahren derzeit am eigenen Leib, was es heißt, wenn ein großer Teil des öffentlichen Nahverkehrs in einer Drei-Millionen-Metropole zusammenbricht. Unsere Autoren machen sich Gedanken darüber, wie so etwas künftig zu verhindern ist.

Ein paar Dinge braucht eine Großstadt einfach zum Leben. Straßen beispielsweise und die Voraussetzungen, um große Menschenmengen vernünftig von A nach B zu transportieren. Mit der S-Bahn ist das leider nicht mehr möglich, sie wurde bereits im Vorgriff auf ihre Privatisierung ruiniert. So funktioniert es also nicht. Was sind die Alternativen? Ausschreibung nach Marktwirtschaftskriterien wäre eine. Aber dann müssen die Konkurrenten sich gnadenlos unterbieten. Also entweder die billigsten Züge kaufen oder die billigsten Mitarbeiter beschäftigen. Das bedeutet klapprige Bahnen und mäßig qualifizierte Werkstattleute, deren Gehalt vielleicht noch aus dem Budget der Sozialsenatorin aufgebessert werden muss. Beispiele dafür gibt’s ja genug. Also wäre es schlauer, wenn das Land die Sache gleich selbst regelt und die S-Bahn übernimmt. Wer jetzt auf die altlastenschwere BVG zeigt und vor neuen Verwaltungswasserköpfen warnt, der sei beruhigt: Die S-Bahn des Jahres 2009 ist nicht nur schlank, sie ist halb verhungert. Ganz abgesehen davon, dass man sich in diesen Tagen ohnehin lieber in eine von überdurchschnittlich bezahlten Mechanikern gepflegte und daher zuschussbedürftige U-Bahn setzt als in eine renditestarke S-Bahn mit kaputten Bremsen. Nur wenn Berlin die S-Bahn kauft, behält es die volle Kontrolle und ist künftig vor bösen Überraschungen sicher. Das ist die Stadt ihren traditionell ÖPNV-affinen Bewohnern und Besuchern schuldig. Stefan Jacobs

Wie wichtig ein funktionierendes Nahverkehrssystem für Berlin ist, merken die Bürger gerade jetzt – wenn es nicht funktioniert. In dieser riesigen Stadt ist die S-Bahn ein unentbehrliches Transportmittel und gehört zur unverzichtbaren Daseinsvorsorge. Je besser BVG und S-Bahn sind, umso eher lassen die Berliner das eigene Auto stehen. Die Konsequenz aus dem Schienen-Chaos kann aber nicht sein, dass nun das Land Berlin die S-Bahn wieder in Eigenregie übernimmt. Diese Zeiten des allmächtigen Wohlfahrts- und Fürsorgestaats sind vorbei. Nicht alles, was wichtig ist, muss der Staat auch selber machen – er muss nur dafür sorgen, dass es funktioniert. Das kann man sicherstellen. Es kommt noch dazu, dass sich das tief verschuldete Berlin den Rückkauf der S-Bahn überhaupt nicht leisten kann. Die einzige Lösung ist deshalb, bei der Neuausschreibung des S-Bahn-Vertrags dafür zu sorgen, dass Wettbewerb entsteht und andere Konkurrenten eine Chance gegen die Bahn haben. Die ist bislang übermächtig, weil sie als einziges Unternehmen über einen Wagenpark verfügt, der auf den Berliner Gleisen fahren kann. Je früher eine Ausschreibung für den 2017 auslaufenden Vertrag beginnt, umso besser kann sich die Konkurrenz darauf vorbereiten. Und im Übrigen lehrt das jetzige Desaster, dass ein Vertrag nur so gut ist, wie er dem Land Berlin im Konfliktfall auch effektive Druckmittel und Strafzahlungen bei Nichterfüllung der vereinbarten Leistungen zubilligt. Gerd Nowakowski

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