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PRO & Contra: Soll der Senat in Kreuzberg eingreifen?

Die Mediaspree-Versenker haben einen pfiffigen Wahlkampf geführt, Hut ab! Nicht das sonst in der linken Szene übliche „Revolution“- Gebrüll schwarz vermummter Gestalten.

Die Mediaspree-Versenker haben einen pfiffigen Wahlkampf geführt, Hut ab! Nicht das sonst in der linken Szene übliche „Revolution“- Gebrüll schwarz vermummter Gestalten. Nein, viele Argumente klangen ganz wunderbar: Das „Ufer für alle“, keine Autos, ein 50-Meter-Park beiderseits der Spree für die lieben Anwohner.

Was für verlogene Argumente. Heute ist das Ufer blockiert durch Industriebrachen (die ach so romantische Kreuzberger Mischung), und die wenigen freien Uferstücke haben sich Schickimicki- Szene-Bars geangelt und Holzzäune errichtet, damit es schön kuschelig ist. Leider versperren diese Zäune nicht nur den Zugang, sondern auch den Blick aufs Wasser.

Knapp 17 Prozent der Wahlberechtigten haben das Projekt Mediaspree versenkt. Diese angebliche Mehrheit ist in Wahrheit eine Minderheit – eben 17 Prozent. Dass der Bezirk nicht in der Lage ist, eine derartig verfahrene Lage zu lösen, hat das „Bethanien“ gezeigt: Ein Minigrüppchen Linksradikaler okkupiert das Künstlerhaus. Die Besetzer stänkern herum – bis die etablierten Künstler die Flucht ergreifen und wegziehen. Und die Verantwortlichen im Bezirk? Die sehen zu und der Steuerzahler muss zahlen.

Das darf sich nicht wiederholen. 160 Millionen Euro Schadenersatz kommen auf den Steuerzahler zu, also auf uns alle. Es geht um Arbeitsplätze, um einen wirklichen Zugang zur Spree, um durchgehende Uferwege. Das Land Berlin muss das Projekt Mediaspree übernehmen. Die Spree ist für alle da, nicht nur für 17 Prozent Friedrichshain-Kreuzberger. Jörn Hasselmann

Die Bezirkspolitiker in Friedrichshain-Kreuzberg haben gute Chancen, beim Projekt Mediaspree ohne den Senat einen Kompromiss zu finden – einen Sonderausschuss haben sie ja schon beschlossen. Würde der Senat die Planungen aber aus „gesamtstädtischem Interesse“ an sich ziehen und unverändert lassen, wären nicht nur Bezirkspolitiker düpiert. Es wäre auch das falsche Signal zur Bedeutung von Bürgerentscheiden, die der rote-rote Senat erst vor drei Jahren zur Stärkung der Mitspracherechte ermöglicht hatte, und gliche einer Entmündigung der Kritiker.

Ohnehin sind die Kriterien, nach denen der Senat Vorhaben an sich zieht, nicht immer nachvollziehbar. Mal erklärt sich der Senat sogar dann zuständig, wenn es um die Dachform eines geplanten Parkcafés geht. Dann wieder hält er sich heraus, wenn es um eine Rieseninvestition wie bei der Mediaspree geht. Dem Bürger, der sich für seine Stadt interessiert, ist das nicht zu vermitteln

Allein die Einwohnerzahl in Friedrichshain-Kreuzberg – rund 268 000 – entspricht einer Großstadt; dasselbe gilt für alle anderen Bezirke. Und Kommunalpolitik sollte auf der Kommunalebene bleiben. Würde in Brandenburg die Landesregierung den Potsdamern vorschreiben, was und wie in der Stadt gebaut wird, wäre die Empörung groß. Im Fall Mediaspree mögen wirtschaftliche Folgen zwar auch das Land Berlin betreffen – doch mit den Neubauten müssen sich die Anwohner arrangieren. Und wie zwischen den vor allem in Kreuzberg knappen Grünflächen und Investoreninteressen abzuwägen ist, wissen Stadtteilpolitiker besser als eine Zentralbehörde. Cay Dobberke

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