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PRO & Contra: Soll die East-Side-Gallery wiederhergestellt werden?

An der East-Side-Gallery ist außer brüchigem Beton nichts mehr zu sehen, am Potsdamer Platz stehen drei Mauersegmente herum wie vergessene Reste einer Baustelle und am Checkpoint Charlie sind nicht mal mehr die Sandsäcke echt. Doch all diese tristen Attraktionen werden Tag für Tag tausendfach besucht, befühlt und fotografiert.

An der East-Side-Gallery ist außer brüchigem Beton nichts mehr zu sehen, am Potsdamer Platz stehen drei Mauersegmente herum wie vergessene Reste einer Baustelle und am Checkpoint Charlie sind nicht mal mehr die Sandsäcke echt. Doch all diese tristen Attraktionen werden Tag für Tag tausendfach besucht, befühlt und fotografiert. Das zeigt, wie riesengroß das Bedürfnis nach greifbaren Spuren der Teilung ist. Dass in den Nachwendejahren so viel beseitigt wurde, ist nicht mehr zu ändern. Aber was jetzt noch von Berlins Geschichte zeugt, muss unbedingt erhalten werden. Die East-Side-Gallery ist solch ein Fall: Entstanden nicht aus einem „Wir verschönern eine graue Wand“-Projekt, sondern als Kunst, die so einmalig ist wie die Ereignisse, auf denen sie beruht. Bilder wie Honeckers und Breschnews Bruderkuss oder der durch die Mauer brechende Trabi sind nicht zufällig weltberühmt geworden. Sie zu retten, sollte selbstverständlich sein. Wer hunderte Millionen für die Wiederauferstehung eines weitgehend aus dem Bewusstsein verschwundenen Schlosses zusammenkratzt, muss auch ein paar Euro für Gemälde erübrigen, die jeder in Berlin entweder kennt oder sehen will. Das ist die Stadt nicht nur den Touristen schuldig, von denen sie immer besser lebt, sondern auch den Berlinern selbst. Stefan Jacobs

Wir haben’s ja. 500 000 Euro für etwas Farbe, 1,5 Millionen Euro, um Künstler aus aller Welt nach Berlin einzufliegen – für den Denkmalschutz. Es zahlt: Der Steuerzahler. Damit sollen bunte Bilder auf ein Stück der Berliner Mauer gepinselt werden, das jetzt angeblich zerbröselt. Schon die Sanierung der Mauer kostet viel: 1,3 Millionen Euro. Ob das tatsächlich erforderlich ist, sei dahingestellt, noch sieht die Mauer ganz stabil aus. Eine simple Rechnung entlarvt den Verschwendungswahn: 4000 Quadratmeter sollen gestrichen werden, für 500 000 Euro. Das sind 125 Euro pro Quadratmeter. Welche Farbe soll hier denn aufgebracht werden, Goldlack etwa? Bei dieser Kalkulation sind für die weltweit verstreuten Künstler vermutlich bereits Erste-Klasse-Flüge gebucht und im Adlon der Champagner kalt gestellt worden. Wieso kann der Beton nicht einfach so saniert werden? Dann lädt man eine Reihe Berliner Künstler ein, spendiert ihnen ein paar Töppe Farbe und bekommt eine neue Touristenattraktion: Die East-Side-Gallery 2007. Denn die Originale aus der Wendezeit 1990 sind es ohnehin nicht mehr, die jetzt für dieses teure Geld wiedererstehen sollen. Was man jetzt noch sieht, ist in der Regel schon einmal nachgemalt worden. Jörn Hasselmann

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