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Pro & Contra: Sollen Ampelsünder zum psychologischen Verkehrstest?

Lassen sich Verkehrssünder wirklich von höheren Strafen davon abhalten, die Ampel bei Rot noch zu überqueren? Oder brauchen sie Unterstützung bei der Therapie ihrer Fahrweise?

Pro: 

Werner van Bebber

Seit ein paar Jahren lässt sich im Straßenverkehr ein Autofahrstil mit leicht pathologischem Zug beobachten: Leute jeden Alters stehen an der Ampel, es wird grün, sie bemerken das, reagieren aber nicht, vielleicht sind sie in Gedanken, die Lücke zum Vordermann wird größer, vielleicht müssen diese Leute ihr Mobiltelefon verstauen oder eine SMS zu Ende schreiben, oder sie wechseln gerade die CD in der AutoHifi-Anlage, der Abstand zum Vordermann wird noch ein bisschen größer, dann, ganz langsam – man will ja nicht gleich den Verbrauch auf 25 Liter Super hochjagen, bloß weil gerade die Ampel grün ist –, setzt man sich in Bewegung, keine Hektik, das Leben ist stressig genug, die Lücke zum Vordermann ist noch größer geworden, macht nichts, man kommt noch früh genug irgendwo an, und piepst nicht gerade das Handy? Schon wird die Ampel wieder gelb, so lange wollte man hier nicht herumstehen, jetzt gibt man richtig Stoff, keine Polizei in der Nähe, die Ampel ist schon hellrot, aber wozu hat man den die vielen Pferde unter der Motorhaube, hier steht keine Blitzkamera neben der Ampel ... Man kann denen, die diesen Fahrstil praktizieren, Unaufmerksamkeit unterstellen, auch Gleichgültigkeit mit Blick auf das Risiko, dem sie andere aussetzen. Jedenfalls brauchen sie Unterstützung bei der Therapie ihrer Fahrweise. Man muss das nicht "Idiotentest“ nennen. Man könnte auch von einer amtlichen Überweisung an die Nahverkehrsbetriebe sprechen.

Contra:
Moritz Gathmann

Ein vorbestrafter Mann fährt ohne Führerschein Auto, flieht vor der Polizei, ignoriert mehrere rote Ampeln und rast schließlich in ein anderes Auto, dessen Fahrer noch am Unfallort stirbt. Levent U. ist dafür am Dienstag zu vier Jahren und drei Monaten sowie einer Führerscheinsperre von fünf Jahren verurteilt worden. Hätte die Androhung eines „Idiotentests“ dieses tragische Unglück verhindert? Sicher nicht. Populisten fordern eine drastische Erhöhung der Bußgelder. Das klingt nach hartem Durchgreifen und ist gut für den Stimmenfang. Aber höhere Strafen füllen das Staatssäckel, sorgen jedoch nicht für mehr Sicherheit auf Berlins Straßen. Kriminologen weisen zudem immer wieder auf einen Denkfehler hin: Nicht die Höhe einer Strafe lässt den Täter vor seiner Tat zurückschrecken, sondern die Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden. Deshalb wird auch der „Idiotentest“ allein Rotsünder nicht von ihrer Tat abhalten. Denn denken diese in dem Moment, wo die Ampel auf Rot schaltet, wirklich noch einmal darüber nach, ob ihn das drei oder fünf Punkte, 50 oder 200 Euro Strafe kostet, oder ob er jetzt vielleicht zum Test muss? Tatsache ist, dass die 15 Ampel-Blitzer, die in dieser Stadt installiert sind, bei den Bürgern offenbar wohlbekannt sind. Darum müssen mobile Blitzer zum Einsatz kommen. Die kosten zwar 60 000 Euro pro Stück. Aber wenn es plötzlich an Ampeln blitzt, die weder im Internet noch im Autofahreratlas vermerkt sind, wird der Rotsünder schon bald selbst bei Gelb bremsen.

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