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© Thilo Rückeis

Problemschiffe: Drei rostende Boote liegen in Landwehrkanal und Spree

Kunstwerke oder Gefahrenquelle? Das Bezirksamt will drei rostende Boote aus Landwehrkanal und Spree entfernen lassen, doch das geht nicht ohne weiteres: Die Rechtslage ist schwierig.

„Die Zukunft liegt in der Luft.“ Das steht auf einem Plakat, das jemand an das ehemalige Theaterschiff „Tau“ geklebt hat – zwischen Graffiti und zerbrochenen Bullaugen. Eine Touristin aus Aachen sitzt auf einer Bank am Urbanhafen in Kreuzberg und blickt zum Schiff hinüber: „Das sieht kurios aus, ich finde es interessant, mir zu überlegen, was für eine Geschichte dahinter steckt.“ Störend findet sie es nicht, eher fast ein Kunstwerk.

Die „Tau“ ist eines von drei größeren Schiffen, die auf den Berliner Wasserstraße vor sich hinrotten und aussehen, als hätten sie keine Zukunft mehr im Wasser. Manche Passanten regen sich über die Schiffe auf: „Die „Tau“ ist Müll und stört“, sagt eine Kreuzbergerin, die oft am Urbanhafen spazieren geht. Noch schlimmer findet sie das ehemalige Restaurantschiff „Iskele“ etwa 50 Meter entfernt. Im Oktober 2008 ist es ausgebrannt. „Ein Kurzschluss“, sagt der Besitzer, Mustafa Yilmaz, der am Schiff nach dem Rechten sieht. Das macht er öfter, und jedes Mal ist er traurig und wütend. „Es ist so schwierig, ein passendes neues Schiff zu finden, das ich mir auch leisten kann“, sagt Yilmaz, der in der Nähe auch ein Restaurant auf festem Boden hat.

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Das ausgebrannte Restaurantschiff Iskele im Urbanhafen. -

© Thilo Rückeis

Die Verhandlungen mit dem Bezirksamt seien nicht einfach, denn das neue Schiff muss eine Menge Auflagen erfüllen. Vor kurzem hat er eines gefunden, das er gern kaufen möchte. Allerdings ist es etwas länger als das alte – das verursacht Probleme. Er hofft trotz allem, dass er im Sommer wieder Gäste auf einem Schiff neben der Admiralbrücke bewirten kann. Die alte „Iskele“ will er verschrotten, sobald das neue Schiff kommt, mit demselben Transport: „Das ist eine Kostenfrage.“

Man habe Yilmaz Zeit gelassen, ein neues Schiff zu finden, sagt Franz Schulz, Bezirksbürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg (Grüne). Schulz’ Hauptanliegen ist im Moment aber die Beseitigung des ehemaligen Theaterschiffs: „Das ist ein Schandfleck und eine Gefahrenquelle.“ Schon mehrmals hat er versucht, ein Lösung für dieses „Problemschiff“ zu finden – so nennt Yilmaz die „Tau“. Aber der Fall ist kompliziert, weil niemand wirklich zuständig ist. Die Betreiber des Theaters seien „in Liquidation geraten“ und hätten es verkauft, sagt Schulz. Doch dann habe es ein Gericht im vergangen Jahr wieder dem Insolvenzverwalter der Verkäufer zugesprochen. Von beiden habe das Bezirksamt weder Adresse noch Telefonnummer, sagt Schulz. Inzwischen sei es nicht mehr im Schiffsregister eingetragen – doch dieser Eintrag ist Voraussetzung, um irgendetwas damit zu unternehmen. Und dann ist da noch die Frage, ob nun das Wasser- und Schifffahrtsamt Berlin (WSA) oder das Bezirksamt zuständig ist für Fälle wie die Tau. „So lange sie keine nautische Gefahr darstellen, ist es für uns nicht dringend, dass solche Schiffe beseitigt werden“, sagt Michael Scholz, Leiter des WSA. 2007 haben Juristen festgestellt, dass es deshalb nicht Aufgabe des WSA ist, die Tau zu entfernen.

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Das festgeeiste Theaterschiff im Urbanhafen. -

© Thilo Rückeis

Jetzt hat Bürgermeister Schulz eine neue Idee: Um eine juristische Grundlage für den Abtransport zu schaffen, will er die Tau zur „baulichen Anlage“ umdeklarieren. Dann könne das Bezirksamt das WSA auffordern, es zu entfernen. Er hofft, dass es in spätestens drei Monaten aus dem Urbanhafen verschwunden ist. Wohin? Das werde man sich später überlegen, sagt Schiffahrtsamtsleiter Scholz. Die Idee könne man auch für ein weiteres schrottreifes Schiff verwenden, sagt Bügermeister Schulz: die „Dr. Ingrid Wengler“, die seit 1996 schief beim Osthafen in der Spree liegt. Ihre Geschichte ist wahrscheinlich die traurigste: Kaptän Franz van de Lücht benannte sie nach seiner verstorben Frau. Er lebte auf dem Schiff und veranstaltete Kreuzfahrten nach Schwerin. Wenn er in Berlin war, legte er in Stralau an. Eines Tages habe es das Wasser- und Schiffahrtsamt dort abschleppen lassen, sagt van de Lücht. „Die fanden, dass es störte.“ Am neuen Liegeplatz konnte er nicht mehr an Bord, und war damit „obdachlos“. Auch hier sind die Eigentumsverhältnisse verwickelt. Michael Scholz vom Schiffahrtsamt sagt, eine Bank habe „eigentumsgleiche Rechte.“ Er sei zwar im Rückstand mit einer Hypothek, sagt von de Lücht, aber: „Ich bin Besitzer und Eigentümer.“ Trotzdem unternimmt der Kapitän nichts, um sein Schiff wiederzubekommen. „Ich bin in Warteposition.“ Die anderen auch. Katja Reimann/Daniela Martens


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