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Berlin: Protest gegen Abschiebung: Roma hoffen auf Berlin

Sie haben ihre Kinder aus der Schule genommen, Wohnungen und Heime verlassen und ihre Lehrstellen aufgegeben. Rund 500 Roma aus Jugoslawien ziehen seit Ende April durch Deutschland, um gegen ihre drohende Abschiebung in den Kosovo, nach Serbien und Montenegro zu protestierten.

Sie haben ihre Kinder aus der Schule genommen, Wohnungen und Heime verlassen und ihre Lehrstellen aufgegeben. Rund 500 Roma aus Jugoslawien ziehen seit Ende April durch Deutschland, um gegen ihre drohende Abschiebung in den Kosovo, nach Serbien und Montenegro zu protestierten. Jetzt sind die 350 Männer und Frauen und 140 Kinder in Berlin angekommen. „Das hier ist unsere einzige Chance“, sagte der 17-jährige Demail Elmazi gestern im Demonstrationszug vom Schlossplatz zum Brandenburger Tor.

Seit dem 27. April leben die Roma auf der Straße. In Essen und Bremerhaven haben sie auf öffentlichen Plätzen gezeltet. In Berlin brachte Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (PDS) sie am Freitag in Flüchtlingsheimen unter. „Hier geht es uns wieder ein bisschen besser“, sagt eine 25-jährige Mutter von drei Kindern. Im Zelt sei es kalt gewesen, Erwachsene und Kinder hätten gehungert.

Offiziell wollen die Roma bis Dienstag in Berlin bleiben. Am Montag lagerten sie bis zum frühen Abend auf dem Platz vor dem Brandenburger Tor, hielten ihre Transparente hoch, sangen und tanzten. „Wir hoffen, dass wir mit Politikern ins Gespräch kommen“, sagte der Sprecher einer Roma-Organisation. Gekommen ist Cem Özdemir, der innenpolitische Grünen-Sprecher. „Er will sich in NRW für eine humanitäre Lösung für Familien mit hier geborenen Kindern einsetzen“, sagte Özdemirs Sprecher. Die Familien lebten teilweise seit 15 Jahren in Deutschland, die Kinder seien voll integriert: „Die müssen hierbleiben können.“ Für Dienstagvormittag genehmigte die Innenverwaltung eine weitere Demonstration vor der Jugoslawischen Botschaft. Wohin soll die Reise dann gehen? Die Roma-Organisation spricht von einem „Bettelzug zur EU nach Brüssel“.

In Berlin halten sich die Roma illegal auf. Geduldete Flüchtlinge dürfen das Bundesland, in dem sie gemeldet sind, nicht verlassen. „Wir setzen die Verlassenspflicht derzeit nicht zwangsweise durch, um den Protest zu ermöglichen“, sagte die Sprecherin der Innenverwaltung, Henrike Morgenstern. Am Sonntag hatte die Polizei ein Heim in Lichtenberg, in dem etwa 200 Roma untergebracht waren, umstellt, Personalien festgestellt und Duldungsbescheinigungen eingezogen. Der Flüchtlingsrat bezeichnete dies als „Überfall“. Frauen und Kinder seien in Panik versetzt worden, sagten die Roma. Die Polizei widersprach den Vorwürfen.

Demail Elmazis Klassenkameraden in Essen stecken mitten in den Prüfungen zum Realschulabschluss. „Ich verliere wahrscheinlich ein Schuljahr“, sagt Demail, „aber ich kämpfe hier für mein ganzes Leben.“ In die serbische Industriestadt Nis zurückzugehen, wo er geboren wurde, kann sich der Jugendliche nicht vorstellen. Verwandte, die dort leben, hätten keine Arbeit, es gebe keine Gesundheitsversorgung, kein ordentliches Schulsystem. Die Häuser seien zerstört oder von Serben bewohnt. „Wir leben hier viel besser als da unten.“ Selbst wenn er in Deutschland eine Ausbildung hätte machen dürfen, sagt der 19-jährige Sefki Cerimovic, würde ihm die nichts nützen. „In Serbien wird nichts davon anerkannt und Arbeit gibt es dort auch nicht.“ Sefki sagt, er habe Altenpfleger werden wollen, sei aber gezwungen, von Sozialhilfe zu leben.

In Deutschland haben die meisten Roma bislang kaum eine Perspektive. Nach einem Beschluss der Innenministerkonferenz soll die „Rückführung“ in ihre frühere Heimat in diesem Jahr beginnen. Doch „Wo ist unser Land?“ fragten die Roma gestern auf Transparenten. Amory Burchard

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