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PROTESTE IN MÄRKISCH-ODERLAND Heftiger Streit um genmanipuliertes Getreide: Schlammschlacht im Maisfeld

Militante Umweltschützer stürmten Acker mit manipulierten Pflanzen in Altreetz. Die Polizei nahm mehrere Aktivisten in Gewahrsam

Von Sandra Dassler

Altreetz - Es regnete in Strömen, der Wettergott war gestern nicht mit den Genmaisgegnern. Da half auch der Gottesdienst in der hübschen alten Kirche des kleinen Dörfchens Altreetz nichts. Und so saßen die meisten der Kirchenbesucher, die an diesem Sonntag aus ganz Deutschland, der Schweiz und Polen ins Oderbruch gekommen waren, in Regencapes auf den Bänken. Sie strahlten trotzdem Freude und gute Laune aus, schließlich predigte Pfarrer Matthias Mieke zunächst ganz in ihrem Sinne, beispielsweise von den Gefahren, die von gentechnisch veränderten Pflanzen möglicherweise für die Schöpfung ausgehen können. Erst als Mieke deutlich machte, dass er das Zerstören von Feldern nicht für ein geeignetes Mittel hält, um gegen die Gentechnik zu protestieren, verzogen einige Zuhörer die Gesichter. Schließlich waren sie genau deshalb ins Oderbruch gereist.

Nach dem Gottesdienst ging es schnell zur Sache. Vor der Kirche formierte sich ein Demonstrationszug mit etwa 300 Teilnehmern. Viele hatten sich phantasievoll ausstaffiert: Grüne Gartenzwerge mit roten Mützen und Rechen oder Schäufelchen über der Schulter hüpften fröhlich über die Regenpfützen. Eine als Ratte verkleidete junge Frau hatte sich mit „Ich bin der Beweis“ plakatiert – eine Anspielung auf Tierversuche über die Schädlichkeit von Genmais. Andere waren als Bauern oder Imker verkleidet.

Angesichts dieser fröhlichen Gestalten mutete das gewaltige Polizeiaufgebot eher komisch an. Doch viele Demonstranten hatten bereits vorher im Internet erklärt, dass sie Genmaisfelder zerstören würden. Die Polizei war angetreten, um dies zu verhindern. Schließlich ist der Anbau von Genmais 810 in Deutschland erlaubt. Die Organisatoren des „Aktionswochenendes“ sehen das freilich anders. Während des Marsches durch Altreetz riefen sie immer wieder den Slogan, der ihrer Initiative den Namen gibt: „Gendreck weg“. Je näher der Zug dem ersten Feld mit Genmais kam, desto lauter wurden die Rufe und Gesänge. Dann flitzten etwa 50 Frauen und Männer los. Durch den Regen hatten sich die Felder in Schlammwüsten verwandelt, die Feldzerstörer und Polizisten gleichermaßen ausrutschen und nur schwer vorwärts kommen ließen. Einige Demonstranten erreichten die Felder und rissen Pflanzen aus oder traten auf sie ein, bis die Polizei sie in Gewahrsam nahm. Unter dem Gejohle der übrigen Demonstranten, die brav auf der Straße blieben, versuchten dann weitere kleine Gruppen, die Genmaisfelder zu erreichen. Früher oder später wurden alle wieder eingefangen, die Polizei nahm die Personalien auf und ließ die dreckverschmierten selbst ernannten Feldbefreier wieder laufen.

Die meisten Altreetzer schüttelten über die Aktion nur die Köpfe: „Wenn die was gegen Genmais haben, sollen sie sich an die Regierung wenden“, sagte eine Frau. „Die haben doch kein Recht, die Arbeit und die Existenzgrundlage anderer Menschen zu zerstören.“ Ihr Mann meinte: „Ich könnte verrückt werden, wenn ich darüber nachdenke, was dieser Polizeieinsatz kostet. Sind doch alles unsere Steuergelder.“

Die Polizisten ließen gestern alle Beschimpfungen und Beleidigungen stoisch über sich ergehen – auch am frühen Nachmittag mussten sie immer wieder über die Felder laufen, um einzelne Genmaishasser am Zertrampeln der Pflanzen zu hindern. „Gendreck weg“ meldete trotzdem große Erfolge: Viele Quadratmeter Genmais seien vernichtet worden. Die Polizei spricht von einem insgesamt 70 Hektar großen Gelände, auf dem die Aktivisten aber nur punktuell Schaden angerichtet hätten.

Die Beamten waren bereits seit Freitag im Einsatz gewesen. Vor der gestrigen „Feldbefreiung“ hatten die Genmaisgegner in einem nahe gelegenen Camp ihre Einsätze geprobt. Es war das dritte Mal, das „Gendreck weg“ zu einem Aktionswochenende gegen den Anbau von Genmais in Brandenburg aufgerufen hatte. In den Jahren zuvor waren in der Nähe von Strausberg und Zehdenick Felder zerstört worden. Viele der Teilnehmer wurden inzwischen von Gerichten wegen Sachbeschädigung zu Geldstrafen verurteilt.

Dem Imker Michael Grolm, einem der Initiatoren, war bereits im Vorfeld per einstweiliger Verfügung vom Landgericht Frankfurt (Oder) untersagt worden, die Genmaisfelder zu betreten. Er beteiligte sich gestern trotzdem an den Zerstörungen der Pflanzen. „Brandenburg ist das Bundesland, in dem der meiste Genmais angebaut wird“, begründete er sein Verhalten: „Wir halten das für illegal und werden deshalb weiterhin auch mit solchen Aktionen ein Zeichen setzen.“

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