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Unschönes Provisorium: Ein unterirdisches Besucherzentrum kommt nicht. Stattdessen bleiben die im Herbst 2010 aufgestellten Container.

© Paul Zinken

Provisorium auf Dauer in Berlin: Besuch im Reichstag bleibt umständlich

Bauminister Peter Ramsauer hat die Pläne für ein permanentes Besucherzentrum am Reichstag gestoppt, weil sie zu teuer sind. Also bleibt es dort ungemütlich, wie es sich gerade zu Pfingsten zeigt.

Auch kleine Schlangen können tückisch sein. Kaum 50 Meter stehen die Menschen am Samstagmittag vor dem Container auf der Südseite der Scheidemannstraße, um sich für den Besuch der Reichstagskuppel anzumelden. Termine gibt es sogar noch für denselben Tag, wie Anzeigen im Containerfenster verkünden. Aber man steht zwei Stunden, bis man dran ist. Dann geht es von dem einen Provisorium über die Straße zu dem anderen, wo man samt Kind und Kegel durchleuchtet wird, bevor man ins Gebäude darf. Immerhin erklären Schlangenbeschwörer in hellblauen Jacken mit Bundesadler den Wartenden freundlich und mehrsprachig, wo es langgeht und dass sie einen Ausweis brauchen. Seit einer Terrordrohung im Herbst 2010 stehen die Container hier. Und jetzt hat Bundesbauminister Peter Ramsauer (CSU) die Hoffnungen auf eine dauerhafte Alternative zerstreut: Angesichts von bis zu 500 Millionen Euro für einen unterirdischen Neubau „habe ich gesagt: Kommando zurück.“ Bei einem Anbau, der mehr koste als der Umbau des Reichstages in den Neunzigern, „wäre die Soße ja teurer als der Braten“, sagte er dem Tagesspiegel.

Also bleibt es bei der Grütze. Während der Anmeldecontainer halbwegs dezent am Tiergartenrand steht, verschandeln die Röntgenbaracken buchstäblich das Bild vom Reichstag, das sich gerade am Pfingstwochenende Tausende Touristen machen. Stapel rot-weißer Absperrgitter verstärken den verrumpelten Eindruck, den das Ensemble aus zerlatschtem Rasen, doppelreihigem krummen Zaun und Containern vermittelt. Mittendrin verläuft die Scheidemannstraße, auf der kein Schild vor den querenden Menschenmengen warnt, ganze Familien sich ihren Weg zwischen illegal geparkten Bussen bahnen und plötzlich mitten auf der Fahrbahn wiederfinden, auf der die Autos mit Tempo 50 brausen. Ein Glanzstück Berliner Verkehrsplanung, das es fast mit dem Irrsinn am Checkpoint Charlie aufnehmen kann.

Mit einem deutlichen „Pfff!“ dreht eine Touristin ab, als sie sich anstellen will und von den zwei Stunden Wartezeit hört. Einem jungen Mann raten die Beschwörer: „Kommen Sie morgen früh um acht, dann sind Sie der Erste.“ Gegenüber am Röntgencontainer steht auf Schildern: „Kuppelbesuch nur mit Voranmeldung: www.bundestag.de“.

Auf der Internetseite ist zwar ein Online-Formular „für eine bequeme Terminanfrage“ verlinkt, aber das funktioniert für Kuppelbesuche nur bis Ende Mai. Für die Monate darauf ist die Registrierung wegen „umfangreicher Anpassungsarbeiten an der Buchungssoftware des Besucherdienstes“ lahmgelegt, was allerdings nur in einem anderen Untermenü steht. „Baldmöglichst“ soll es wieder funktionieren. Bis dahin möge man mailen oder faxen. Eine Mail vom Samstagmittag blieb bis zum Abend unbeantwortet.

Einer der Beschwörer am Röntgencontainer mutmaßt, dass es nächste Woche wieder online läuft, aber garantiert das lieber nicht. Dafür hat er auf Nachfrage sofort die Visitenkarte des Dachgartenrestaurants „Käfer“ parat. Wer dort reserviert, entrinnt der Anmeldeschlange und darf direkt vom Röntgen zum Essen und von dort ebenfalls in die Kuppel. Allerdings ist das Restaurant bis einschließlich Pfingstmontag ausgebucht. Auf eine geführte Tour durchs Gebäude muss man sogar bis Juli warten. Dafür lässt die sich wiederum jetzt schon online buchen.

Gewisse Vorkenntnisse schaden also nicht, um komfortabel ins Reichstagsgebäude zu gelangen. Sonst steht man auf der Straße – und kann höchstens Glück im Unglück haben: Als es am Samstag zu schütten beginnt, schnurrt die Schlange zusammen. Die ausharren, werden mit Abfertigung bereits nach einer Stunde belohnt. Trocknen können sie dann drin.

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