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Public Viewing, nicht nur auf der Fanmeile, lockt Diebe und andere Kriminelle oft an.

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Fußball-EM 2016: 1000 Kneipen – und nur fünf Anträge auf Public Viewing

EM in der Kneipe? Dafür brauchen Wirte in Berlin eine Genehmigung vom Amt. Aber die hat bisher kaum jemand beantragt. Wieso wir vermutlich doch nicht auf Fußball verzichten müssen.

Von Fatina Keilani

In gut zwei Wochen beginnt die Fußball-EM und damit eine neue Prüfung für das menschliche Zusammenleben. Wirte stellen die Bildschirme raus, Torjubel ist bis spät in die Nacht zu hören, und Anwohner können nicht schlafen und rufen die Polizei. Denn ob die Behörden einschreiten, wird genau davon abhängen: ob es Beschwerden gibt. Das Vorhandensein einer speziellen Genehmigung sehen manche Bezirke hingegen nicht so eng, auch wenn eine solche nach der Rechtslage erforderlich wäre. „Was man haben muss, ist eine generelle Genehmigung für einen Schankvorgarten“, sagt Pankows Umweltstadtrat Torsten Kühne (CDU).

Theoretisch müsste man auch noch eine Genehmigung vom Umweltamt haben, wegen des Krachs, doch eine solche haben im ganzen Bezirk Pankow bisher nur fünf Wirte beantragt, obwohl es rund 1000 Lokale mit Schankvorgarten gibt. „Wir werden das Thema großzügig und wohlwollend handhaben“, sagte Kühne, zumal es sich oft um einen Graubereich handele – nämlich die Frage, ob der Fernseher gerade noch im Café steht oder schon auf der Straße. Und zumal es wieder eine Bundesverordnung gebe, in der das besondere öffentliche Interesse an der EM klargestellt wird. Auch im Nachgang zur WM 2014 habe der Bezirk keinerlei Bußgelder verhängt.

Ähnlich sieht es der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf. „Wenn Deutschland spielt, kommt sicher nicht das Ordnungsamt und macht den Fernseher aus“, sagt Stadtrat Marc Schulte (SPD). Falls es Anwohnerbeschwerden gebe, werde man am nächsten Tag einschreiten, ohne Beschwerden wohl überhaupt nicht. Ob Bußgelder verhängt würden, hänge vom Einzelfall ab. „Wenn der Wirt verständig reagiert, wird eine mündliche Verwarnung sicher ausreichen“, sagt Schulte und verweist ebenfalls auf die Bundesverordnung, die das Feiern ja gerade ermöglichen will. In der Verordnung steht als Ziel, dass die Durchführbarkeit von öffentlichen Fernsehdarbietungen im Freien über die Fußball-EM 2016, an denen ein herausragendes öffentliches Interesse besteht, bundesweit gewährleistet werden soll.

Kreuzberg ist strenger als die anderen

Ausgerechnet der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg ist da strenger. Er sieht die Verordnung wie berichtet als ungültig an, weil es vorrangiges Landesrecht gebe. In einer eigenen Mitteilung hat der Bezirk darüber informiert, dass Wirte eine eigene Genehmigung vom Umweltamt zusätzlich zur Sondernutzungserlaubnis brauchen und dass diese mit mindestens vier Wochen Vorlauf zu beantragen ist. Es würden dann die Belange der Anwohner gegen das im Antrag bekundete Interesse abgewogen. Ein Anspruch auf Genehmigung bestehe nicht.

Dass der Bezirk punktuell streng sein kann, hat er erst kürzlich gezeigt, als er einem Wirt vorschrieb, nur noch 97 Zentimeter des Bürgersteigs nutzen zu dürfen statt wie bisher einen Meter, worauf der Wirt öffentlichkeitswirksam mit der Stichsäge drei Zentimeter von seinen Bierbänken absägte. „Es war in dem Fall nötig, so vorzugehen“, heißt es aus dem Ordnungsamt dazu. Das sei auch nicht kleinlich. Einem einzigen Gewerbetreibenden stehe hier eine Unzahl an Passanten gegenüber, denen freier Durchgang zu ermöglichen sei – die Straße diene nun mal dem Verkehr.

Ab 22 Uhr ist das Ordnungsamt nicht mehr zuständig

Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) sah das auf Twitter anders. Sie stellt die Prioritätensetzung des Ordnungsamts in Frage. „Wenn ich mit dem Fahrrad mal wieder um die parkenden Autos herumfahren muss, denke ich immer: Und wo sind sie jetzt wieder?“, sagte Herrmann. Sie sieht es auch als Problem, dass sich Polizei und Ordnungsämter gegenseitig die Zuständigkeit zuschöben, sodass die Probleme nicht wirksam gelöst würden. „Polizei und Ordnungsämter sollten sich zusammensetzen und genau klären, wer wann für was zuständig ist“, meint Herrmann.

Immerhin gibt es bei der EM keine Zeitverschiebung wie bei der WM vor zwei Jahren. Das Lärmproblem wird trotzdem entstehen: Da dieses Mal viele Spiele erst um 21 Uhr anfangen, ist auf jeden Fall mit Torjubel und Lärm auch nach 22 Uhr zu rechnen. Die Mitarbeiter der Ordnungsämter sitzen dann vielleicht sogar ebenfalls in der Kneipe und gucken mit. Denn, so Stadtrat Kühne aus Pankow: „Nach 22 Uhr ist die Polizei zuständig.“

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