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Berlin: Rechnungshof: Land zu großzügig zu Hartz-IV-Mietern

Haushaltskontrolleure kritisieren Senat und Job-Center wegen zu hoher Unterkunftskosten

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Haushaltskontrolleure kritisieren Senat und Job-Center wegen zu hoher Unterkunftskosten

Die Berliner Kriterien zur Berechnung des angemessenen Wohnraums bei Empfängern von Arbeitslosengeld II (ALG II) sind nach Auffassung des Landesrechnungshofs rechtswidrig und verursachen Mehrausgaben in zweistelliger Millionenhöhe. Die vom Senat vor zwei Jahren beschlossene Hartz-IV-Praxis stimme nicht mit der Bundesgesetzgebung und der aktuellen Rechtsprechung überein.

Laut dem neuesten Jahresbericht gehen die zwölf Berliner Job-Center zu großzügig mit den Hartz-IV-Geldern um. Die Rechnungsprüfer kritisierten „gravierende Mängel und Fehler“. Es gehe hier nicht um Schlampereien einzelner Mitarbeiter, sagte Rechnungshofpräsident Jens Harms. Es gehe um das gesamte System, das wenig transparent und kaum kontrollierbar sei. Zum Beispiel würden unangemessen hohe Unterkunftskosten übernommen. Eine Stichprobe habe in 40 Prozent der Fälle eine Überschreitung der Richtwerte festgestellt.

Besondere Kritik übten die Rechnungsprüfer daran, dass die Angemessenheit lediglich nach der Höhe der Warmmiete berechnet werde und die Wohnungsgröße keine Rolle spiele. Außerdem, dass es bei zu hohen Mietkosten Übergangsfristen bis zu einem Jahr und zu viele Ausnahmeregelungen gebe. Während das Arbeitslosengeld II aus Bundesmitteln bezahlt wird, müssen für die Übernahme der Mietkosten die Kommunen aufkommen. Für die rund 333 000 Berliner Haushalte, die von ALG II leben, gab die Stadt im vergangenen Jahr 1,4 Milliarden Euro aus. Beispielsweise werden bei einem Ein-Personen-Haushalt Mieten bis zu 360 Euro bezahlt, bei einem Drei-Personen-Haushalt gelten bis zu 542 Euro als angemessen.

Um die Regelung war vor zwei Jahren heftig im Senat gerungen worden. Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (Linkspartei/PDS) konnte sich gegen Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) durchsetzen, der deutlich niedrigere Bemessungsgrenzen für angemessen hielt. Massenhafte Zwangsumzüge sollten vermieden werden. „Wichtiges Ziel war die Bewahrung des sozialen Friedens“, sagte gestern die Staatssekretärin in der Sozialverwaltung, Petra Leuschner. Sie verteidigte auch die Übergangszeit von einem Jahr. Diese Zeit sollte besser dazu genutzt werden, die Betroffenen wieder in Arbeit zu bekommen, als sie mit einem Umzug zu belasten. Das sei langfristig ohnehin kostengünstiger.

Senatssprecher Michael Donnermeyer wollte sich nicht zu der Frage äußern, ob der Senat nach der Rechnungshofschelte umsteuern wolle. Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) will laut seinem Sprecher Matthias Kolbeck das Thema „permanent im Auge behalten“ und behält sich vor, beizeiten Änderungsbedarf anzumelden.

Die Kritik der Rechnungsprüfer bezog sich auch auf die Arbeit in den Jobcentern: Die Aktenführung sei lückenhaft. Es fehlten Anträge, Aktenvermerke, Ausdrucke und Bescheinigungen. „Bei einer derart mangelhaften Aktenführung sind fehlerhafte Bescheide nahezu zwangsläufig.“ Der Rechnungshof hält es nicht für richtig, dass Einnahmen aus Untervermietungen nicht von den Mietkosten abgesetzt, sondern als Einkommen angerechnet wurden. Der Effekt: Berlin muss die vollen Unterkunftskosten zahlen, während der Bund entlastet wird.

Dieter Henke, stellvertretender Jobcenter-Chef von Friedrichshain-Kreuzberg, sagte, dass „nicht alles rund läuft“. Die Kritik der Rechnungsprüfer an den Mietkosten könne er für seinen Bezirk aber nicht nachvollziehen: Seinen Angaben zufolge liegen die Mieten im Durchschnitt deutlich unter der Bemessungsgrenze.

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