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Berlin: Reden über den Volksaufstand

STADTMENSCHEN Zwei Frauen stehen auf der Bühne, sie verlesen einen Text. Er handelt vom „weisen Gelehrten“, vom „genialen Feldherren“, ja, vom „großen, unsterblichen Führer“.

STADTMENSCHEN

Zwei Frauen stehen auf der Bühne, sie verlesen einen Text. Er handelt vom „weisen Gelehrten“, vom „genialen Feldherren“, ja, vom „großen, unsterblichen Führer“. Die Zuhörer im WillyBrandt-Haus lachen. Sie lachen über Josef Stalin und die Beileidsbotschaft der DDR nach dessen Tod im März 1953. Vielleicht lachen sie auch, weil sie froh sind, sich am Donnerstagabend, dem ersten Abend des Krieges, über Geschichte unterhalten zu können, statt über die Gegenwart. Der Volksaufstand am 17. Juni 1953 war das Thema, und 200 Menschen kamen, manche direkt von der Friedensdemo. Ihr Kommen hatte sich gelohnt. Denn sie erfuhren viel Neues über einen wichtigen Tag der Deutschen und seine Vorgeschichte.

Zum Beispiel die Statistik von Wolfgang Leonhard , einem der bekanntesten deutschen Kommunismusforscher. Er zählte 1953 täglich, wie oft Stalins Name auf der Titelseite der Moskauer Parteizeitung „Prawda“ stand. „Vor seinem Tod 45 bis 60 Mal, zwei Wochen danach 20 Mal und einen Monat später zweimal.“ Was lehrt uns das? Die sowjetische Führung war froh, dass Stalin tot war. Ganz im Gegensatz zur SED, die dem alten Idol nachhing. Leonhard folgerte: „Dieser Konflikt zwischen Sowjets und SED war eine Basis für den Aufstand.“ Die andere war die Mangelwirtschaft Walter Ulbrichts auf Kosten der Arbeiter. Eine Politik, vor der der sowjetische Geheimdienst bereits lange vor dem Aufstand gewarnt hatte.

Warum aber sind die Sowjets eingeschritten, wenn sie Ulbricht eigentlich loswerden wollten? Hermann Weber , einer der profiliertesten DDR-Forscher, antwortete auf diese Frage so: „Ohne das Eingreifen der Roten Armee wäre das ganze System umgekippt.“ Folge wäre ein demokratischer Sozialismus gewesen, mindestens, und der war Moskau nicht geheuer, schon gar nicht im geteilten Deutschland. Webers Resümee lautete: „Der 17. Juni ist Teil der deutschen Freiheitsgeschichte. Auf diesen Tag können wir stolz sein.“ An dieser Stelle gab es Applaus. Denn Frieden und Freiheit haben mindestens den gleichen Wert. Das hat Willy Brandt einmal gesagt.ide

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