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Berlin

© Ulrich Baumgarten / Vario-Press

Regierungsviertel: Mit langem Atem zur neuen Mitte

Seit 15 Jahren machen der Bund und Berlin gemeinsame Sache: Im Entwicklungsgebiet Regierungsviertel erhält die Stadt mehr als ein Facelift – sie entsteht neu.

Rot und Blau halten sich immer noch die Waage. Rot, das sind auf der Karte von Annalie Schoen die Gebäude, die bereits fertiggestellt sind. Das Kanzleramt gehört dazu, die Bundestagsbüros, der komplette Pariser Platz und die Townhouses auf dem Friedrichswerder zum Beispiel. Blau markiert sind alle Häuser, die noch geplant, deren Bau aber fest verabredet ist: das „Humboldt-Forum“ genannte Stadtschloss zum Beispiel, aber auch die Umgebung des Humboldthafens am Hauptbahnhof, außerdem die Hotel- und Büroblöcke nördlich und südlich davon. Und Ministerien und Botschaften: das Innenministerium und die Polnische Vertretung Unter den Linden. „Es bleibt noch viel zu tun“, resümiert Annalie Schoen, die Leiterin des sogenannten Hauptstadtreferats der Berliner Stadtentwicklungsverwaltung.

Dabei ist schon eine Menge passiert. Seit 15 Jahren bauen Berlin und der Bund in der sogenannten „Entwicklungsmaßnahme Regierungsviertel – Hauptstadt Berlin“ gemeinsam an der Zukunft der Innenstadt. Baufelder mussten geräumt, Straßen und Brücken gebaut, neue Parks errichtet und, auch das, Kitas und eine Polizei- und Feuerwache gebaut werden. Um das alles möglichst unproblematisch auf den Weg zu bringen, hatten sich 1993 der Bund und Berlin auf ein Instrument geeinigt, das in Berlin nicht unbekannt ist: das Entwicklungsgebiet. Während Berlin mit den landeseigenen Projekten an der Wasserstadt Oberhavel oder dem alten Schlachthof in Prenzlauer Berg finanziellen Schiffbruch erlitten hat, läuft es im Regierungsviertel rund und bemerkenswert geräuschlos, obwohl doch gerade hier kaum ein Stein auf dem anderen geblieben ist.

Anders als in den anderen Entwicklungsgebieten ist das Regierungsviertel nicht durch Kredite finanziert. Der Bund trägt 64 Prozent der bewilligten Gesamtkosten von 580 Millionen Euro. In dieser Summe sind die teuren Neubauten von Parlament und Regierung nicht enthalten, wohl aber die Promenaden an der Spree, der Umbau des Pariser Platzes oder die Entwicklung der Townhouses.

Das Geld wird aber nicht allein aus Steuern finanziert, sondern teilweise auch aus den Erlösen der Grundstücksverkäufe in diesem Gebiet. Das funktioniert so: Die Preise der Grundstücke sind auf dem Niveau von 1991 eingefroren, der Mehrwert, den das Grundstück heute wert ist, fließt komplett in die Entwicklungsmaßnahme. Das gilt nicht nur für Grundstücke des Bundes und des Landes, sondern auch von Privatleuten und Investorengruppen. Das besonders strikt formulierte Recht erlaubte auch notfalls Enteignungen. Treuhänderisch verwaltet wird das so vereinnahmte Geld von einem Entwicklungsträger, der am Ende abrechnet: Wie viel müssen der Bund und Berlin am Schluss zuschießen?

Für die riesige Summe hat die Stadt in ihrer Mitte eine umfassende Schönheitskur bekommen, und Parks, wie im Spreebogen oder zuletzt auf dem Friedrichswerder und demnächst am ULAP-Gelände, südlich des Hauptbahnhofs. „Berlin hat von der Entwicklungsmaßnahme sehr profitiert“, sagt Franziska Eichstädt- Bohlig, ehemals baupolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, heute Fraktionschefin ihrer Partei im Abgeordnetenhaus. Sie kennt beide Seiten. „Natürlich wollte Berlin das Gebiet möglichst groß fassen“, erinnert sie sich, „der Bund hingegen die Aufgaben begrenzen.“

Es gab auch Streit. So wollte der Haushaltsausschuss des Bundestages vor 15 Jahren die Gelder in letzter Minute sperren, um die Lasten zugunsten des Bundes zu verschieben. Doch die Berliner setzten sich durch, schließlich waren auch in Bonn ähnliche Projekte zu zwei Dritteln von Bund getragen worden. Aber: „Insgesamt gab es zwischen Bund und Land in der Entwicklungsmaßnahme erstaunlich wenig Krach“, sagt Eichstädt-Bohlig.

So sieht es auch Annalie Schoen. Klar, Reibereien gab es immer, sagt sie, „zum Beispiel, ob der Ebertplatz hinter dem Reichstag freigehalten werden soll, oder, wie jetzt, als aufwendiger Parkplatz für Abgeordnete dient“. Aber ansonsten ziehen der Bund und Berlin in der Entwicklungsmaßnahme an einem Strang. Auch, was ihre Dauer angeht.

Zunächst sollte das gesamte Projekt schon nach zehn Jahren fertig sein. Doch es gab Verzögerungen beim Bau der Ministerien, im Spreebogen oder beim Hauptbahnhof. Also wurde 2003 die Entwicklung um fünf Jahre verlängert. Und jetzt, da eigentlich Schluss sein soll, sind sich Bund und Land wieder einig. Weil noch so viel zu tun ist, gilt das Entwicklungsgebiet nun bis 2012, damit auch Nachzügler in Sachen Stadtentwicklung in das Programm kommen: der Schlossplatz oder die Gertraudenstraße.

Aber danach soll endgültig Schluss sein. Und dann, so hofft Annalie Schoen, sind auf ihrer Karte alle Häuser rot.

Eine Ausstellung zur Entwicklungsmaßnahme ist bis 31. Juli zu sehen: Am Köllnischen Park 3 in Mitte, montags bis freitags 10 bis 18 Uhr.

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