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Berlin: Reinheit liegt im Auge des Betrachters Die Humboldt-Uni hat erforscht, was „Dreck“ ist

Wann ist eine Stadt sauber? Wenn hinter jedem Hund eine Kehrmaschine herfährt und unter jedem Baum im Herbst ein flotter Feger steht, sagen die einen, die Träumer.

Wann ist eine Stadt sauber? Wenn hinter jedem Hund eine Kehrmaschine herfährt und unter jedem Baum im Herbst ein flotter Feger steht, sagen die einen, die Träumer. Wenn die Stadt sauber wirkt, erwidern die Realisten. Auf Basis dieser simplen These gaben die BSR und andere Stadtreinigungsbetriebe aus Deutschland und Österreich ein Forschungsprojekt am Institut für Psychologie der Humboldt-Uni in Auftrag: Mit einer „Wahrnehmungsstudie“ sollte herausgefunden werden, welche Art von Schmutz die Menschen wie sehr stört. Das ist wichtig, damit die Straßenreiniger sich künftig nicht etwa an den Ritzen im Kleinpflaster abarbeiten, während sich Passanten an beklebten Laternenpfählen vielleicht viel mehr stören.

Weil die Studie erst im nächsten Jahr veröffentlicht wird, verraten die Beteiligten nur einige Ergebnisse. Birgit Nimke-Sliwinski, Marketingchefin der BSR-Reinigungsabteilung, berichtet von einer Überraschung beim Thema Baumscheiben: Fast alles, was da wächst, werde als „grün“ empfunden und gehe daher in Ordnung. So muss in Zukunft wohl nicht mehr jeder Beifußhalm gerodet werden – und die BSR-Leute haben mehr Zeit, sich um die für wichtiger befundenen Dinge zu kümmern. Um die Mülleimer beispielsweise, die den Leuten gar nicht auffällig genug sein können, wie die Psychologieprofessorin Elke van der Meer resümiert. Insofern sei Orange die ideale Farbe – und das an touristisch besonders wertvollen Orten verwendete Grau aus BSR-Sicht klar die schlechtere Wahl. Die Papierkörbe dürften auch schief hängen oder beschmiert sein – was zähle, sei allein ihre Präsenz.

Eine psychologische Binse ist, dass objektive Wirklichkeit und subjektive Wahrnehmung sehr verschieden sein können. Anders gesagt: Die Leute können einem viel erzählen. Deshalb wurden Teilnehmer der Studie nicht nur befragt, sondern auch mit einem Blickbewegungsmesser auf die Strecke geschickt: Sensoren in einem Helm erfassen Augenbewegungen, so dass sich prüfen lässt, wo die Probanden tatsächlich genauer hinschauen und worüber sie hinwegsehen. „Natürlich wussten die Testpersonen vorher nicht genau, worum es uns ging“, sagt Elke van der Meer. So wurde vermieden, dass sie die Straße nach Schmutz „absuchen“.

Dass Hundehaufen den Menschen am meisten stinken, hat die Fachleute kaum überrascht. Erstaunt waren sie aber über die Ähnlichkeit der Ergebnisse in Berlin und Frankfurt/Main. Die Wahrnehmungen von Hauptstädtern und Hessen stimmten immerhin so weit überein, dass der Test vorerst nicht ausgeweitet werden soll.

Breiter werden muss demnach nicht die Datenbasis, sondern die Zusammenarbeit derer, die die Reinigung der Stadt in der Hand haben. Die Menschen interessiert schließlich nicht, ob für den Rasen neben einem Gehweg das Grünflächenamt und für die Graffiti auf einer Wand der Hausbesitzer zuständig ist. Sie sehen nur Dreck. So hofft die BSR, ein paar gute Argumente für bessere Zusammenarbeit in der Hand zu haben.

Vier Wissenschaftler und mehrere Studenten haben eineinhalb Jahre an der Studie gearbeitet. Es sollen noch spannende Dinge darin stehen, etwa zu Wahrnehmungsunterschieden bei Frau und Mann. Aber das wird erst später verraten. obs

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