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Berlin: Reinickendorf: Schule soll sich für den Kanzler schön machen

Wenn der Kanzler kommt, ist alles anders. Was sonst auf dem vorgeschriebenen Amtsweg Monate dauert, muss dann plötzlich in wenigen Tagen erledigt werden.

Wenn der Kanzler kommt, ist alles anders. Was sonst auf dem vorgeschriebenen Amtsweg Monate dauert, muss dann plötzlich in wenigen Tagen erledigt werden. So in Reinickendorf, wo sich in der Gabriele-von-Bülow-Oberschule kurzfristig hoher Besuch angesagt hat. Gerhard Schröder, Bildungsministerin Edelgard Bulmahn und der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (alle SPD) wollen eine Woche vor der Wahl gemeinsam mit Telekom-Chef Ron Sommer im Tegeler Gymnasium vorbeischauen. Anlass ist die Übergabe des letzten vom Kommunikations-Multi gesponserten "T-Classrooms".

Laut Schulleiter Ulrich Entz ist das Gymnasium offenbar wegen seiner Funktion als europäische Begegnungsschule durch Schulsenator Klaus Böger (ebenfalls SPD) ins Blickfeld der hohen Politik gebracht worden. Beworben hatte man sich weder um die Computer, noch um die Veranstaltung am 15. Oktober. Da Kanzleramt und Telekom "sehr feste Vorstellungen" über den Ablauf haben, bleiben der Schule kaum Einflussmöglichkeiten. Wenigstens soll es Zeit für eine Begrüßung und eine kurze Präsentation der Beziehungen zu Polen geben. Entz hofft, dass für die Schüler auch Gelegenheit ergibt, dem Regierungschef einige kritische Fragen zu stellen.

Erst dieser Tage wurde das Bezirksamt von der Telekom informiert und gebeten, den Klassenraum herzurichten. Baustadtrat Michael Wegner verweist auf die eigentlich notwendige Ausschreibung der Arbeiten. Trotz "Befremdens" will der Dezernent aber nicht den Eindruck erwecken, dass "die Bezirksfürsten kleinlich gegenüber dem Bundeskanzler sind". Unter "starkem Dehnen der rechtlichen Bestimmungen" sollen auch die nötigen Kabel gelegt werden. Da es sich bei dem Material um "keine Lagerware" handelt, schließt Wegner nicht aus, dass Arbeiten in anderen Schulen ruhen müssen.

Der Besuchstermin der SPD-Spitzenpolitiker gilt im CDU-dominierten Reinickendorfer Rathaus nicht als Zufall. Telekom-Sprecher Ulrich Lissek weist indessen jeden Verdacht einer Wahlkampfhilfe zurück. Die Veranstaltung, von der das Bezirksamt erst jetzt informiert wurde, sei "seit Monaten" geplant worden. Es habe auf der Hand gelegen, die in Berlin mit dem Kanzler begonnene Aktion auch hier und mit ihm abzuschließen. Auf Wahltermine "können und werden wir keine Rücksicht nehmen", sonst würde dies den "Stillstand der Öffentlichkeitsarbeit". Schröder werde nur über das Thema "Schulen ans Netz" sprechen. Die Einladung Wowereits sei "ein Gebot der Höflichkeit".

Michael Wegner hat indessen die von der Oberschule erbetene Renovierung abgelehnt. Er wolle den hohen Gästen "Schule pur" präsentieren und kein "potemkinsches Gymnasium", sagt der Stadtrat. Bei der Telekom, so versichert Ulrich Lissek, denkt man trotz der "Begeisterung" der Reinickendorfer nicht an die Verlegung des Veranstaltungsortes in einen anderen Bezirk.

Rainer W. During

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