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Der Autor Max Deibert (20) ist mit schwerem Rucksack und ausziehbarer Selfie-Stange nach China aufgebrochen.

© privat

Reisen in China: Mein schwerer Rucksack und ich

Mit Gepäck, das schwerer ist als er selbst, und ohne Sprachkenntnisse, reist unser Autor durch China. Warum er sich diese Strapazen wohl antut?

Vor anderthalb Wochen bin ich mit einem Rucksack, zwei Karten, einem Reiseführer und ohne einen Plan nach China aufgebrochen. Mittlerweile habe ich auf der chinesischen Mauer Selfies gemacht, bin in der verbotenen Stadt über eine Türschwelle gestolpert, die das Glück im Haus und das Übel vom Haus fern halten soll (ich wollte rein, also war ich wohl das Übel...) und habe meine erste Zugreise von Peking in eine etwas südlicher gelegene Stadt absolviert. All das, ohne ein Wort Chinesisch zu sprechen, geschweige denn lesen zu können. 

 Irgendein fucking Pavillon

Eine aufmerksame Leserin meines Reise-Blogs merkte letztens in einer Mail an, ich würde zwar von interessanten Erlebnissen berichten, die wichtigste aller Fragen aber unbeantwortet lassen: Warum zur Hölle tue ich mir so eine Reise an? Warum allein mit einem Rucksack, der schwerer ist als ich selbst, durch ein fremdes Land mit fremder Schrift, fremder Sprache, fremden Menschen fahren? Warum um sieben Uhr morgens mich aus dem Bett einer fensterlosen Herberge quälen, um mir irgend einen fucking Park oder Pavillon, der mit   noch mehr unlesbaren Zeichen bepflastert ist, anzuschauen? Darauf gibt es eine sehr einfache Antwort: Weil ich es kann! Oder vielmehr, weil ich mir selbst beweisen will, dass ich es kann! Ich habe im vergangen Sommer Abitur gemacht und danach fast rund um die Uhr gearbeitet, um nach  China reisen zu können.

Traust du dich?

Auch meine Verwandten haben mich unterstützt, das war aber ein Geschenk und nicht an Bedingungen gebunden. Der einzige Mensch, dem ich am Ende des Tages Rechenschaft schuldig bin, bin ich selbst. Es wäre leicht, am Morgen liegen zu bleiben, bis 11 Uhr zu schlafen und anschließend 3 Stunden "Angry Birds" zu zocken, während  der Zimmer-Service mein europäisches Frühstück zubereitet. Nur wäre ich am Ende des Tages nicht in der Lage, in den Spiegel zu sehen und mich vor mir selbst zu rechtfertigen. Und so läuft es mit jeder Entscheidung ab: Traue ich mir zu, mit einem billigen Zugticket die doppelte Fahrtzeit in einem mit schnarchenden Chinesen überfüllten Schlafabteil abzusitzen? Soll ich wirklich preiswertes, aber wahrscheinlich unhygienisches Essen an einem Straßenstand kaufen und riskieren, krank zu werden?

Ich bin bisher mit meiner Reise sehr zufrieden, weil ich viel unternehme, wenig esse und dadurch noch mehr Geld habe, mit dem ich reisen kann. Anders als im Schulleben oder während des Auslandsjahres bei einer liebevollen Gastfamilie aus Neuseeland, lerne ich auf meinen Reisen durch China täglich mich selbst und meine Grenzen kennen. Und treffe junge Leute mit dem gleichen Ziel: Briten, Australier, Amis, zum Teil auch Deutsche. Allein bin ich also selten, ich entscheide nur allein, wie es weiter geht. Ganz so wie im echten Leben.
Dies war ein Beitrag unseres neuen Jugendmagazins "Schreiberling". Lust auf mehr? Werdet unsere Freunde auf www.facebook.de/Schreiberlingberlin oder folgt uns auf www.twitter.com/schreiberling_. Fanpost und Kritik an schreiberling@tagesspiegel.de

Max Deibert

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