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Eine Lehrerin schreibt mit Kreide einen Stundenplan mit Religionsunterricht an eine Tafel.

© picture alliance/dpa/Friso Gentsch

Religion als Wahlpflichtfach: Für die schwarz-roten Pläne in Berlin fehlen die Lehrer

Kirchen und Religionsgemeinschaften können kaum glauben, dass es in Berlin wieder ein Wahlpflichtfach Religion an Schulen geben soll. Das Problem könnten die Lehrer werden.

Es ist eine der großen Überraschungen im Entwurf des Berliner Koalitionsvertrags. „Die Koalition strebt die Einführung eines Wahlpflichtfachs Weltanschauungen/Religionen als ordentliches Lehrfach an“, heißt es auf Seite 42 des von CDU und SPD ausgehandelten Dokuments.

„In einem von fachlich ausgebildeten Lehrkräften erbrachten und von den Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften inhaltlich gestalteten Unterricht können Kenntnisse über Religionen und Weltanschauungen vermittelt werden.“ Das Fach Ethik bleibe in seiner bisherigen Form bestehen.

Das Hauptproblem bei der Umsetzung des Religionsunterrichts dürfte die Frage nach dem Personal werden. Bisher sind die Religionslehrer im Dienst der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften angestellt. Doch diese sind nicht überall im Einsatz: Die Islamische Föderation etwa ist derzeit nach Angaben von Burhan Kesici, der dort für den Religionsunterricht verantwortlich ist, nur an einer einzigen Oberschule aktiv, die allermeisten ihrer 35 Lehrer unterrichten an Grundschulen. 

Und die Zahl der Studierenden, die sich an der Humboldt-Universität auf ein Berufsleben als Religionslehrer vorbereiten, ist gering: In der Islamischen Theologie, wo es 2025 die ersten Absolventen für das Lehramt an Grundschulen und 2027 für das Lehramt an Sekundarschulen und Gymnasien geben soll, hätten zum Akademischen Jahr 2022/2023 insgesamt 17 Studierende ihr Studium begonnen, informiert Sprecherin Heike Bräuer.

In der Katholischen Theologie, wo ebenfalls 2025 die ersten Absolventen zu erwarten sind, hätten 23 Lehramtsstudierende ihr Studium aufgenommen. An der seit vielen Jahren Religionslehrer ausbildenden Evangelisch-Theologischen Fakultät seien es 46, so Bräuer. 

Landesbischof: „Wichtiges Zeichen, dass Glaube und Bildung zusammengehören“

Sollte der neue Senat das neue Schulfach tatsächlich umsetzen, wird also ein gutes Maß an Improvisation auf die Bildungsverwaltung zukommen. Aber die Religionsgemeinschaften seien gesprächsbereit, sagt der evangelische Landesbischof Christian Stäblein.

„Die evangelische Kirche steht mit den Lehrerinnen und Lehrern des Faches Religion bereit zur Unterstützung bei der Umsetzung.“ Denn für die Kinder und Jugendlichen der Stadt sei der Religionsunterricht „ein wichtiges Zeichen, dass Glaube und Bildung zusammengehören.“

Die religiöse Bildung ist in einer multireligiösen Gesellschaft von großer Bedeutung.

Christian Stäblein, evangelischer Landesbischof

Wer in dieser Woche mit Vertretern der Berliner Religionsgemeinschaften spricht, spürt: So ganz können sie noch nicht glauben, was da im Entwurf des Koalitionsvertrags steht. „Ich freue mich sehr, dass die Koalition die Einrichtung von Religion als Wahlpflichtfach anstrebt“, sagt etwa Stäblein.

„Die religiöse Bildung ist in einer multireligiösen Gesellschaft von großer Bedeutung.“ Als ordentliches Lehrfach in einem Wahlbereich sei die religiöse Bildung eine „Möglichkeit in aller Freiheit“, die dem Frieden im Miteinander diene. 

„Pro Reli“-Volksentscheid war 2009 gescheitert

Skeptischer äußert sich hingegen Kesici von der Islamischen Föderation: „Als wir hörten, dass das kommen soll, waren wir erstaunt“, sagt er. Derzeit warte man auf die konkreten Pläne der Koalitionäre, um dann beurteilen zu können, wie sich diese in der Praxis auswirken würden. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass solche Bestrebungen gern genutzt werden, um die Religion zu kontrollieren.“

Mit ihren Plänen zu Religionsunterricht als Wahlpflichtfach haben die Koalitionäre eine alte Forderung der Berliner Kirchen und Religionsgemeinschaften, aber auch von CDU und FDP aufgegriffen. 2009, vor fast 15 Jahren also, hatte die Debatte um den Religionsunterricht die Stadt gespalten: Damals trat das von den Kirchen und den beiden Parteien unterstützte Bündnis „Pro Reli“ an, um mit einem Volksentscheid die Einführung des Religionsunterrichts im Rahmen eines Wahlpflichtfaches zu fordern. 

Dagegen wandten sich unter anderem die Landesverbände von SPD, Grünen und Linken. Am Ende scheiterte das Anliegen jedoch: Es nahmen zwar fast 30 Prozent der Wahlberechtigten an der Abstimmung teil, doch die Mehrheit stimmte mit „Nein“.

Weswegen der Religionsunterricht der Kirchen, der Muslime und der Buddhisten heute ebenso wie der Lebenskundeunterricht des Humanistischen Verbands nur als freiwillige Arbeitsgemeinschaft in Verantwortung der jeweiligen Gemeinschaft an den Berliner Schulen angeboten wird.

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