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Religionen: Ringparabel auf dem Fußballplatz

Beim dritten Berliner Match zwischen Imamen und Pfarrern siegen die Muslime 4:0. Die Berliner Rabbiner können wegen des Sabbats zwar nicht teilnehmen, es laufen aber zwei jüdische Linienrichter auf. Lessing lässt grüßen.

Der Stadionsprecher ist bestens vorbereitet: Er hat die Kommentatorenfibel "So werde ich Heribert Faßbender" mitgebracht und studiert außerdem vor Anpfiff eifrig arabische, türkische und deutsche Spielernamen. Nichts darf schief gehen an diesem Samstag auf dem Sportplatz der Wilmersdorfer Friedrich-Ebert-Oberschule. Zu ernst soll es aber auch nicht sein. Denn die dritte Fußballpartie zwischen christlichen Pfarrern und muslimischen Imamen ist vor allem ein symbolisches Treffen.

Zur Begrüßung deutet es der neue Berliner Generalsuperintendent Ralf Meister als "wunderbares Zeichen, wenn es in dieser Stadt eine solche sportliche Begegnung gibt". Schließlich würden Kontakte zwischen den Religionen der Vorbeugung von Missverständnissen dienen. Für Imran Sagir vom Mitveranstalter Inssan e.V. ist vor allem ein "greifbarer Kontakt" wie dieser wichtig. Gesprächsrunden zwischen Geistlichen mehrerer Konfessionen wären meist nicht nur trocken, sondern auch schlecht besucht.

Zumindest der Geist wurde trainiert

Der Vizepräsident der Islamischen Föderation, Burhan Kesici, glaubt, "mit Fußball kann man Massen bewegen". Das findet auch Superintendent Meister: "Kein anderes Medium, keine kulturelle Leistung wie der Sport führt - wegen einheitlicher Regeln - so sehr zusammen". Auch Imam Ufur Topkara begrüßt das Spiel, weil es für Kommunikation und somit für Verständigung sorge. Beide Seiten entschuldigen zudem die Berliner Rabbinerschaft. Diese könne wegen des noch andauernden Sabbats nicht antreten. Dafür laufen zwei jüdische Linienrichter auf - eine ideale Feldkonstellation, meint ein Beobachter, wie sie wohl Lessings Ringparabel wünschte.

Der Schiedsrichter ist dagegen ein deutscher Referee mit Liga-Lizenz. Gespielt werden zweimal 30 Minuten auf einem sogenannten Zwei-Drittel-Feld, einer Spielfläche, die nicht ganz einen klassischen Fußballplatz umfasst. Für Laien trotzdem keine leichte Übung. Beide Teams gestehen auch mangelndes Training. Erschwerend wirkt der bisher fehlende Kontakt zwischen den jeweils acht Mannschaftskameraden. Dafür, ruft Ufur Topkara schmunzelnd, habe man seinen Geist trainiert.

Abendländische Verteidigung "einfach nur zum Kotzen"

Spirituell beginnt auch das Spiel. Für die Christen wird das "Vaterunser" gebetet, die Muslime sprechen die vorgeschriebene Sure aus dem Koran. Schnell wird klar: Beide Mannschaften sind keine Profis, wissen jedoch mit dem Ball umzugehen und schenken sich bei aller Fairness nichts. Nach viertelstündigem Abtasten offenbart das christliche Hinterland klaffende Lücken. Derart große, dass der Torhüter seine abendländische Zurückhaltung ablegt und die eigene Verteidigung "einfach nur zum Kotzen" findet. Nach 20 Minuten rächt sich das mit dem ersten, eine Minute später mit dem zweiten muslimischen Treffer.

Zwei weitere werden folgen. Darunter ein Elfmeter. Kurz vor Spielende muss dann auch noch der Wilmersdorfer Superintendent Roland Herpich mit einer Zerrung vom Platz getragen werden. Fast zeitgleich krümmt sich ein Imam auf dem Boden - angeblich rammte ein Pfarrer seinen Arm in den Magen des Muslims. "Schwalbe", schallt es aus dem Publikum. Dann ertönt der Abpfiff. Beifall tost übers Gelände.

Die Imame nehmen jubelnd den Wanderpokal des Ökumenischen Rates Berlin-Brandenburg entgegen. Sie sind erstmals Gewinner dieses Treffens. Vergangenes Jahr siegten die Pfarrer mit 6:2, vor zwei Jahren beendeten die Christen das Spiel mit 12:1. Man möchte sich auf jeden Fall wiedertreffen. So Gott will.

Torsten Hilscher[ddp]

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