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Berlin: Respekt für ältere Menschen

In der türkischen Metropole Istanbul sind Pöbeleien von Jugendlichen im Nahverkehr selten

Wenn man als Fahrgast auf einer der vielen Bosporus-Fähren in der türkischen Metropole Istanbul von einem Fremden angesprochen wird, ist das kein pöbelnder Jugendlicher: Meistens ist es der Cayci, der Tee-Verkäufer. Das gehört zum Alltag. Flüche und flegelhaftes Benehmen Halbwüchsiger dagegen nicht.

Allein die Istanbuler Nahverkehrsbusse auf den Straßen der Riesenstadt transportieren jeden Tag etwa 1,3 Millionen Reisende; hinzu kommen mehrere hunderttausend Menschen auf den Fähren sowie in Metro und Straßenbahn. Die Türkei ist im Vergleich zur Bundesrepublik ein sehr junges Land – 73,5 Prozent der Türken sind unter 40 Jahre. Deshalb finden sich in Bussen und U-Bahnen Istanbuls auch sehr viele junge Leute, doch unflätiges Benehmen und tätliche Angriffe sind sehr rar. Ältere Menschen werden nicht angepöbelt, ihnen wird in den Bussen vielmehr sofort ein Platz freigemacht. Jugendliche, die sich auf den Straßen Istanbuls danebenbenehmen, trifft man fast nur vor und nach großen Fußballspielen in der Stadt. Ihnen kann man also gut aus dem Weg gehen.

Dabei gibt es in Istanbul natürlich auch eine Drogenszene, es gibt Jugendbanden in einigen Vorstädten, und es gibt Straßenkriminalität, wenngleich die Kriminalitätsraten für eine Stadt mit 15 Millionen Einwohnern und einer großen Schere zwischen Arm und Reich relativ niedrig sind. Gewalt in der türkischen Gesellschaft und in den Familien ist aber keine Seltenheit: Viele türkische Frauen werden von männlichen Familienangehörigen verprügelt; fast jeder dritte Jugendliche in der Türkei wird im Laufe seiner Schulkarriere mindestens einmal von seinem Lehrer geschlagen.

Im öffentlichen Nahverkehr bleibt man von Gewalt, Kriminalität und unangenehmen Zeitgenossen jedoch weitgehend verschont. Dass ein Passagier im Bus von Jugendlichen beleidigt, verhöhnt oder sogar beraubt wird, ist in Istanbul unerhört. Auch Graffiti oder aufgeschlitzte Sitzpolster sind eher selten.

Das hat nur wenig mit der Polizei zu tun: Polizisten sind in Istanbul weder besonders zahlreich, noch sind sie in den meisten Fällen sonderlich effektiv. Es liegt vor allem daran, dass die Istanbuler Jugendlichen im Vergleich zu ihren Altersgenossen in Westeuropa recht „brav“ sind. Nach einer kürzlich veröffentlichten Umfrage ist die Armee jene Institution, die bei den jungen Leuten den größten Respekt genießt. Fast 70 Prozent der Jugend trinkt keinen Alkohol, nur 3,7 Prozent der befragten Jugendlichen gaben in der Umfrage an, mehrmals die Woche Alkohol zu sich zu nehmen. Bei den meisten Jugendlichen sind zudem die familiären Bande nach wie vor sehr stark. Ältere Menschen gelten traditionell als Respektspersonen, was die Hemmschwelle für Pöbeleien noch weiter erhöht.

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