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Berlin: Richter beleidigt und geschlagen

36-Jähriger muss sich für Ohrfeige verantworten. Aber dieses Mal sitzt er hinter Sicherheitsglas

Viel Spielraum ließ man Walid El.-A. diesmal nicht. Hinter dickem Sicherheitsglas saß der Angeklagte – obwohl es „nur“ um Beleidigungen, verbale Bedrohungen und eine Schelle ging. Aber Walid El-A. hat in einem anderen Prozess für einen Eklat gesorgt: Über den Richtertisch hinweg ohrfeigte er den Vorsitzenden Richter. Der gestrige Prozess um den für das Moabiter Kriminalgericht einmaligen Fall aber war nach kurzer Zeit bereits am Ende.

Während der 36-jährige Walid El-A. in der Verhandlung vor sieben Monaten immer wieder durch Pöbeleien aufgefallen war, verhielt er sich nun zurückhaltend. Das Reden überließ er seinem Anwalt. Walid El-A. habe nur noch eine „nebulöse Erinnerung“ an das Geschehen, erklärte der Verteidiger. Er sei damals sehr aufgebracht gewesen – weil ihm das Gericht keine Chance gegeben habe, seine Unschuld zu beweisen. Herzrasen und Kopfschmerzen hätten Walid El-A. gequält. Es deute vieles auf einen „hochgradigen Affekt“ hin, argumentierte der Anwalt und verlangte ein psychiatrisches Gutachten.

Der als Sexualstraftäter vorbestrafte El-A. hatte in dem damaligen Prozess allen Grund, beunruhigt zu sein. Er musste sich wegen Vergewaltigung verantworten. Die Staatsanwaltschaft strebte seine Sicherungsverwahrung an. „Das Einzige, was über ihren Köpfen fehlt, sind Hakenkreuze“, brüllte El-A. einmal. „Sie sind ein Rassist? Seit wann sind Sie das?“, beschimpfte er an einem anderen Tag den Vorsitzenden Richter. Dann der 2. März. Walid El-A. wollte eine Fotomappe sehen, die in den Akten war. „Plötzlich sprang er auf und pfefferte mir eine“, sagte der 63-jährige Jurist B. am Rande des jetzigen Prozesses. „Ich war völlig verdattert.“

Jochen B. ist als ruhig und sachlich bekannt. Er bewahrte auch trotz des Angriffs die Beherrschung, ließ den Schläger aus dem Saal entfernen. „Ich lasse mich nicht von Rassisten verurteilen“, rief der im Libanon geborene Angeklagte noch und trat dann widerstandslos ab. Einen Monat später wurde er zu acht Jahren Haft verurteilt. Zugleich ordnete die Kammer unter Vorsitz des geohrfeigten Richters seine Sicherungsverwahrung an, weil er gefährlich für die Allgemeinheit sei. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Walid El-A. hatte die Vorwürfe bestritten.

Der Prozess um die Ohrfeige war für Walid El-A. nach einer Stunde beendet. Das Berliner Landgericht setzte ihn aus. Um zu klären, ob Walid El-A. zum Zeitpunkt des unerhörten Angriffs im Gerichtssaal voll schuldfähig war, soll er nun psychiatrisch untersucht werden. So blieb dem geohrfeigten Richter eine neuerliche Begegnung mit dem schlagkräftigen Angeklagten zunächst erspart. Jochen B. hatte ohnehin kein gesteigertes Interesse an dem Verfahren. Nicht er, sondern der Präsident des Landgerichts hatte einen Strafantrag gestellt – aus fürsorgerechtlichen Erwägungen, wie es hieß.

Kerstin Gehrke

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