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Berlin: Riesenstaus in Ost und West – Verkehrslenker ahnungslos

Zentrale in Tempelhof war über zwei neue Baustellen nicht informiert. Zuständige sitzen unter einem Dach, aber sie arbeiten nicht zusammen

Nichts ging mehr gestern früh auf der B1 am Frankfurter Tor und auf dem Adlergestell zwischen Schmöckwitz und Grünau. Ohne Vorwarnung gerieten die Autofahrer an zwei neuen Baustellen in Mega-Staus, denn die Verkehrslenkung Berlin (VLB) wusste wieder einmal von nichts. Erst auf wiederholte Nachfrage des Verkehrsfliegers Ramon Montana wurden mit mehrstündiger Verspätung Hinweise herausgegeben. Dabei ist die bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung angesiedelte Behörde auch für die Koordinierung der Baustellen im übergeordneten Straßennetz verantwortlich.

Auch auf der Heerstraße im Westen stauten sich die Autos gestern früh wieder bis nach Staaken. Die Grünphase in Richtung Innenstadt betrug zum Höhepunkt des Pendlerverkehrs teilweise nur 14 Sekunden. Autofahrer und Fußgänger klagen an der Heerstraße seit Monaten über die häufig extrem kurzen Ampelschaltungen.VLB-Chef Rolf Brodback wies das zurück und wiederholte auch gestern, dass es den Riesenstau auf der Heerstraße am 24. Oktober überhaupt nicht gegeben habe. Aus Behördenkreisen wurde allerdings bekannt, dass der Ampelrechner an jenem Tag zum wiederholten Male mehr als eine Stunde lang „verrückt gespielt“ hatte, ausgelöst durch die automatische Vorrangschaltung für die BVG-Busse. Passieren mehrere Busse eine Kreuzung gleichzeitig, stürzen die überforderten Rechner mitunter ab, berichten die Experten. Dann steckt auch die BVG im Stau.

Ramon Montana vom Air Service Berlin spricht von „organisiertem Chaos“ durch die Verkehrslenkung. Auch aus der Behörde selbst mehren sich kritische Stimmen. Baustellenkoordination, Verkehrsregelungszentrale mit Verkehrswarndienst und die vom Senat für 16 Millionen Euro eingerichtete, aber privatwirtschaftlich betriebene Verkehrsmanagementzentrale (VMZ) sitzen am Flughafen Tempelhof unter einem Dach. Doch die interne Zusammenarbeit sei gleich null, heißt es.

Weil immer mehr Polizisten aus der Regelungszentrale abgezogen werden, funktioniert auch der kurze Dienstweg zu den Beamten vor Ort immer schlechter. Die Polizeiangestellten wurden dagegen von der VLB übernommen und dort durch Zusatzkräfte aus der Berliner Verwaltung ergänzt. Dass diese jetzt den Polizeifunk mithören können, gilt intern als Sicherheitsrisiko. Damit der Informationsfluss nicht weiter gebremst wird, sucht der Polizeipräsident gegenwärtig nach rechtlichen Möglichkeiten, auch die Zivilisten in die Schweigepflicht zu nehmen. Dagegen bleiben die Mitarbeiter der privaten VMZ außen vor. Ihnen verwehren Jalousien den Blick auf die Multimediawand, wenn dort die freizuschaltenden Routen gefährdeter Staatsgäste erscheinen.

Die Verkehrslenkung ignoriere alle Anregungen, klagt Jörg Becker, Verkehrsleiter des Berliner ADAC. Auch bei einer Bevorzugung des öffentlichen Nahverkehrs müsse die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben. Der ADAC-Vorstand drängt jetzt bei Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer darauf, dass „endlich etwas geschieht“.

VLB-Chef Rolf Brodback weist dagegen alle Vorwürfe zurück. Ihm würden keine Beschwerden des ADAC vorliegen. Im Stau oder aus dem Flugzeug werde die tatsächliche Passierdauer eines Engpasses oft überschätzt. Pilot Montana verweist kopfschüttelnd auf seine Stoppuhr.

Rainer W. During

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