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Im Umfragetief: Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU, links) und der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD).

© dpa

Rigaer Straße und mehr in Berlin: Das Versagen des Senats macht fassungslos

Der Konflikt um die Rigaer Straße zeigt, wie überfordert Berlins Senatskoalition ist. Dabei hatten SPD und CDU so gute Voraussetzungen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Nowakowski

Es bleiben, nach einer Woche, in der der Rechtsstaat ramponiert wurde und die rot-schwarze Koalition sich in ihre Elementarteile zerlegte – ausgerechnet über ein verrottetes Hinterhaus in der Rigaer Straße – Empörung und Fassungslosigkeit. Fassungslos macht, dass linksradikale Straftäter sich einbilden können, sie bestimmten den Taktschlag der Landesregierung. Empörend ist, dass ein Anwalt sich aus Angst nicht mehr vor Gericht traut – und die Koalition sogar hier nicht mehr gemeinsam gegenhält.

Die vergangenen Tage haben nicht nur die Fliehkräfte des gescheiterten Bündnisses sichtbar gemacht. Die Summe der gegenseitigen Vorwürfe und Gehässigkeiten kommt einer Abdankung der herrschenden politischen Klasse gleich. In diesem Rosenkrieg wird so viel Reputations-Porzellan zerschlagen, dass die Berliner sich von SPD und CDU gleichermaßen abwenden.

Anarchy rules; so ziehen die Senats-Autonomen sich gegenseitig runter. Keine Spur von Amtsbonus für Michael Müller, dem „lavierenden Wankelmeister“, wie der CDU-Generalsekretär mit Billigung von Parteichef Frank Henkel schimpfen darf. Aber wer nicht führt, muss sich nicht wundern. Ein Verfassungssenator wiederum, der aus durchsichtiger Profilierung den starken Max macht und für seinen Feldzug gegen einige ideologie-bekiffte Autonome geltendes Recht, die Gesundheit von Polizisten und das friedliche Leben von Anwohnern opfert, hat sein Amt nicht verstanden.

Die Koalition blieb kleinkariert, wo große Linien wichtig gewesen wären

Auf ihrem Parteitag am Freitag feierte die CDU, wie toll Berlin durch ihre Senatsbeteiligung vorangekommen sei: Niedrigste Arbeitslosigkeit seit 1990, Schuldenabbau, kräftiges Wachstum. Unbestreitbar, dass es Berlin besser geht. Tatsächlich aber waren es fünf verlorene Jahre, weil manches die Frucht früherer Weichenstellungen ist. Gerade die Zukunftsversprechen machen das deutlich. Die umfassende Schulsanierung oder der Umbau der Bürgerämter hätten längst begonnen werden können. Die Aufgabe, die Hemmkräfte der doppelten Verwaltungsstruktur für die wachsende Stadt abzubauen und eine neue Aufgabenverteilung zu finden, hat der Senat ignoriert. Die große Koalition blieb kleinkariert, wo große Linien wichtig gewesen wären.

Etliches, mit dem der Senat sich schmückt, wurde ihm aufgezwungen. Ein endlich angemessen ehrgeiziges Programm für bezahlbare Wohnungen gibt es, weil der Senat die Forderung des Volksbegehrens übernahm. Auch das SPD-Ziel einer Rekommunalisierung der Energieerzeugung und -netze bekam erst Schwung durch das – knapp gescheiterte – Volksbegehren. Nun sind SPD und CDU sich plötzlich einig, dass für Radler mehr getan werden muss – nach dem fulminanten Start des Bürgerbegehrens.

Es belegt einen absoluten Vertrauensverlust, dass nach fünf Jahren in der Verantwortung SPD wie CDU bei rund 20 Prozent Zustimmung liegen. Dabei hatte seit 1990 kein Senat so gute Voraussetzungen für eine erfolgreiche Bilanz.

Die Welt fliegt auf die Stadt der Freiheit und der Chancen – und der Senat schaut zu. Auch in dieser Woche wird die Koalition sich wieder im kleinlichen Streit um die Rigaer Straße zerlegen. Dabei braucht es Ruhe und Weitsicht in einer unruhigen und beunruhigten Stadtgesellschaft. Das aber kann dieser Senat nicht leisten. Noch 62 Tage bis zur Wahl.

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