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Berlin: Ron Sommers gute Stube

Die ersten 99 Berliner Quasselstrippen wurden von hier aus verbunden, dem Kaiserlichen Haupttelegraphenamt zwischen Jäger-, Oberwall- und Französischer Straße. Ein wilhelminischer Prunkbau, zwischen 1863 und 1902 entstanden.

Die ersten 99 Berliner Quasselstrippen wurden von hier aus verbunden, dem Kaiserlichen Haupttelegraphenamt zwischen Jäger-, Oberwall- und Französischer Straße. Ein wilhelminischer Prunkbau, zwischen 1863 und 1902 entstanden. Die Bombenschäden wurden in den Nachkriegsjahren ausgebessert, die kaputte Ecke zur Französischen Straße mit einem Plattenbau versehen, an den sich allerdings kaum noch jemand erinnern kann. Vor drei Jahren begann die Sanierung des Altbaus, inzwischen hat auch die einstige Platten-Ecke für DDR-Fernmeldetechnik einem gläsern-stählernen Neubau Platz gemacht. Alles zusammen eine Investition von 70 Millionen Euro: Nun ist die alt-neue Mischung fertig - als Hauptstadtrepräsentanz der Deutschen Telekom.

Sie soll, stellt sich ihr Chef Ron Sommer vor, die "gute Stube" des Unternehmens sein, das hier mit rund 120 Mitarbeitern vertreten ist. Die Stube hat an der Jägerstraße einen Lichthof, der zu den größten in Berlin gehört. Der kaiserliche Telegrafensaal, zu Ost-Berliner Zeiten historisch unsensibel zu Büros verhackstückt, ist ein festlich wirkender Raum vom Ausmaß einer Bahnhofshalle, prädestiniert für Empfänge und andere repräsentative Veranstaltungen. Ein Saal, der stets auf würdige Feste zu warten scheint, denn eine andere Aufgabe hat er nicht.

Architekt Heiko Vahjen vom Büro Henze + Vahjen (auch verantwortlich für den Umbau des Museums für Kommunikation) ließ nach eingehendem Aktenstudium Säulen freilegen, die gar nicht mehr vermutet worden waren. Im angrenzenden Neubau an an der Französischen Straße entstand als Pendant zum historischen Lichthof eine Halle mit fast den gleichen Abmessungen, aber haushoch und sehr modern. Die Säulenreihen des Altbaus wurden hierhin verlängert, und das Atrium zwischen beiden Gebäuden wirkt wie ein großer, heller Hof. Weil die Telekom Offenheit nach außen zeigen will, besteht die Fassade aus einer Glashaut, durch die Passanten, nicht gerade reichlich in dieser Gegend, ins Atrium schauen können.

Dort sehen sie Berlins größten Bildschirm, der sich auf einem langen stählernen Arm drehen, schwenken und in verschiedene Höhen bringen lässt. Mit der buntflimmernden Fläche von 4,50 mal 8 Meter ist das Unternehmen auch auf Außenwirkung bedacht, was bei der Glashülle keine Schwierigkeiten macht. Die Halle ist voller Lautsprecher und Scheinwerfer und wirkt wie ein großes High-Tech-TV-Studio mit kaiserlich verklinkerter Hofseite: Ein Kontrast, der gewollt ist. Um zu verhindern, dass es in wärmeren und sonnigen Jahreszeiten zu hitzig wird, kann kühle Luft aus dem Parkettfußboden entströmen.

Auch der Altbau wurde nicht nur innen umgebaut, sondern ergänzt, der Bauteil an der Oberwallstraße aufgestockt und mit einer Fassade versehen, die Historie mit Neuem verbindet. Darunter wurde die einst zerstörte Ziegelfassade restauriert. An der Jägerstraße erneuerte man die Sandsteinhaut.

Vom der neuen Hauptstadt-Repräsentanz an der Französischen Straße können die Mitarbeiter durch Wintergärten hindurch auf den Schlossplatz, das Auswärtige Amt und den Fernsehturm schauen. Besonders beeindruckend aber ist der Blick auf die Friedrichwerdersche Kirche von Schinkel. Sie stand schon, als die Herren vom Kaiserlichen Telegraphenamt, zunächst zum großen Teil mit der Rohrpost beschäftigt, 1881 die Verbindung zu den ersten Telefonkunden knüpften.

Christian van Lessen

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