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Szenen keiner Ehe: Innensenator Frank Henkel (CDU, links) und der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) am Donnerstag im Abgeordnetenhaus.

© Wolfgang Kumm/dpa

Rot-schwarze Koalition in Berlin: Der Wahlkampf hat begonnen

Das Geplänkel auf den Landesparteitagen von SPD und CDU hatte einen gewissen Unterhaltungswert. Mit solidem Regieren hat das aber nichts zu tun. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Ulrich Zawatka-Gerlach

Das kann ja heiter werden. 14 Monate vor der nächsten Wahl in Berlin springen sich die Koalitionspartner SPD und CDU mit dem nackten Hintern ins Gesicht. Abwechselnd, gegenseitig. Der Überdruss, den beide Regierungsparteien füreinander empfinden, hätte an beliebigen Themen sichtbar werden können. So war es, mehr oder weniger zufällig, der Streit um die Ehe für alle. Ein Thema, das auch und gerade in Berlin einen ernsthaften politischen Diskurs verdient hätte.

Zu so etwas scheinen die beiden mittelgroßen Volksparteien in Berlin aber nicht in der Lage zu sein. Es fehlt die intellektuelle Tiefe und der Wille, sich ehrlich und respektvoll auseinanderzusetzen. Stattdessen fahren Sozial- und Christdemokraten schwerste Geschütze auf, so als ginge es um die letzte Schlacht in der Ost-Ukraine. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller auf der linken, der CDU-Landeschef und Innensenator Frank Henkel auf der rechten Seite der Barrikade. Und es war sonnenklar, dass beide Kontrahenten ihre Landesparteitage am Sonnabend nutzen würden, um den rhetorischen Dauerbeschuss fortzusetzen.

Beim Personal ist es komplizierter

Jetzt wissen wir: In Berlin hat der Wahlkampf begonnen. Die CDU hat sich mit der Wahl eines neuen Vorstands schon personell in Position gebracht. Unangefochten an der Spitze steht Henkel, der die Union im September 2016 zur stärksten Partei machen soll, auch wenn die Chancen auf eine weitere Regierungsbeteiligung schrumpfen. Der toughe Quereinsteiger Thomas Heilmann wird nicht mehr als innerparteilicher Quertreiber gesehen, sondern als Wahlkampfmanager integriert, der die CDU trotz ihrer Noch-Blockade der Homo-Ehe als wirtschaftsnahe und dem Bildungsbürgertum zugewandte Großstadtpartei in Szene setzen soll.

Die Berliner SPD ist noch nicht so weit, obwohl die Konturen der inhaltlichen und personellen Wahlkampfführung schon gut erkennbar sind. Soziale Stadtentwicklung und bezahlbare Mieten, Integration und gute Arbeit, Bildungschancen für alle. Dieses Programm soll die Parteibasis zwar erst noch per Mitgliederbefragung zusammenstellen, aber es wäre eine große Überraschung, wenn der linke SPD-Landesverband auf einmal anders ticken sollte als in den vergangenen Jahren.

Beim Personal ist es etwas komplizierter. Der Regierende Bürgermeister Müller wird zwar von den Genossen jetzt in Watte gepackt, damit ihm bis zur Wahl 2016 nichts mehr passiert. Denn die Berliner SPD hat aktuell nur diesen einen Erfolgsgaranten. Doch Müller weiß auch, dass er seine Partei im nächsten Jahr an der Regierung halten muss, in welcher Konstellation auch immer, sonst ist es vorbei mit ihm. Das macht Druck, und das ist ihm anzumerken. Fraktionschef Raed Saleh und Parteichef Jan Stöß bleiben in Lauerstellung und haben ihre längerfristigen Karrierepläne nicht aufgegeben.

Diese Konstellation wird bis zum Wahltag wohl halten, aber es ist ein fragiles Gleichgewicht. Da putschen sich drei Partei„freunde“ gegenseitig hoch oder bremsen sich gegenseitig aus. Mal so, mal so. Noch verbunden durch die Zuversicht, dass die Berliner Sozialdemokratie nicht aus dem Roten Rathaus zu vertreiben ist, solange Schwarze und Grüne nicht miteinander können. Die Arroganz der Macht, die zuerst die Wowereit-SPD ausstrahlte und von der Müller-SPD nahtlos übernommen wurde, gründet in dieser Überzeugung: Uns kann keener!

Die Christdemokraten, die 2011 unverhofft in die Regierung geschubst wurden, wissen das. Sie beschränken sich deshalb bei der Berliner Wahl auf das ambitionierte, aber erreichbare Ziel, auf Augenhöhe mit den Sozialdemokraten zu kommen. Vielleicht sogar vorn zu liegen in der Wählergunst. Alles Weitere liegt nicht in der Hand der CDU, weil Muttis Partei ausgerechnet in der Hauptstadt keinen willigen und potenten Bündnispartner hat, mit dem sich der SPD drohen ließe.

Also bleibt Henkel & Co. nichts anderes übrig, als sich so gut wie möglich zu verkaufen. Als Partei, die in seriöser Regierungsarbeit etwas für die bürgerlichen Bürger tut. Die Union muss gleichzeitig am Podest des kieznahen Bilderbuch-Sozialdemokraten Müller kratzen, auch wenn sie ihn vorerst nicht vom Sockel holen kann. Diese Doppelstrategie wird von der CDU jetzt eingeübt. Die SPD hält gegen, indem sie versucht, den Koalitionspartner zur Rechten als dumpfe Barocktruppe zu entlarven. Weit weg von der urbanen Moderne.

Ein gewisser Unterhaltungswert ist diesem Geplänkel nicht abzusprechen. Mit solidem, ergebnisorientierten Regieren hat es aber nichts zu tun. Bringen wir die nächsten 14 Monate also schnell hinter uns. Und was dann? Eine ziemlich verzweifelte Frage.

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