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Berlin: Rübermachen? Na, mit Vergnügen!

Die einstige DDR-Grenze verlief mitten in der Elbe. Heute fährt die Fähre vom Funkmast zum Wachturm.

Wie ein Monstrum ragt der Funkmast an der Elbe bei Lenzen in den Himmel. Der Vergleich mit dem 368 Meter hohen Berliner Fernsehturm liegt auf der Hand. Immerhin fehlen ihm bis zur Höhe des Wahrzeichens der fast 200 Kilometer entfernten Hauptstadt nur 24 Meter. Doch dieser Turm erzählt eine ganz andere Geschichte, die bis heute weite Teile der Landschaft in der oft als abgelegen beschriebenen Prignitz prägt: die des Kalten Krieges und der Ost-West-Trennung. Ohne den harten historischen Einschnitte würden die Touristen vielerorts eine andere Natur an der Elbe erleben.

Nur wenige Minuten braucht die Fähre zwischen Lenzen und Pevestorf. Die Elbe zeigt sich in diesen Tagen ganz ruhig. Kein Hoch- oder Niedrigwasser macht dem Fährmann zu schaffen, so dass die Fahrt von Brandenburg nach Niedersachsen beziehungsweise von der Prignitz ins Wendland ohne Probleme verläuft. Zwei Autos und drei Radfahrer haben ein Ticket gelöst. „Wir machen wieder mal rüber“, antwortet der älteste Mann aus dem Trio auf die Frage nach dem Ziel ihrer Tour. „Na ja“, fügt er schmunzelnd hinzu. „Wir fahren in den Westen nach Dannenberg.“ Das „Rübermachen“ habe sich so eingebürgert und stamme noch aus der Zeit der Grenze inmitten der Elbe, als sich Flüchtlinge mit diesem harmlos klingenden Spruch von Verwandten und Freunden verabschiedeten. Nur wenige dieser waghalsigen Aktionen waren allerdings erfolgreich. Seit dem Mauerfall erinnern nur noch die beiden Türme im Westen und im Osten an jene Zeit. Tatsächlich war der Funkmast 1963 zur Überbrückung der DDR bei Telefongesprächen zwischen Westdeutschland und West-Berlin und zur Ausstrahlung von Fernseh- und Hörfunkprogrammen in den Osten gebaut worden. Bis 2009 stand an dieser Stelle sogar noch ein zweiter Mast, der aber wegen einiger Schäden gesprengt worden war.

Gegenüber auf dem östlichen Elbufer bauten die DDR-Grenzer einen Beobachtungsturm. Denn sie wussten, dass sich potenzielle Flüchtlinge an diesem Funkmast orientieren und danach beispielsweise ihren Kompass einstellen würden. Signalzäune, die bei einem Kontakt Leuchtraketen auslösten, sollten weit vor der Metallbarriere auf dem Deich die Annäherung eines Flüchtlings verraten. Zugleich rodete man im Elbvorland Bäume und Büsche, damit sich niemand verstecken konnte.

Heute stehen Funkmast und Wachturm scheinbar unerschütterlich in der Landschaft, wobei die Hinterlassenschaft der Grenzer endlich eine nutzbringende Funktion erfüllt. Touristen können den Wachturm besteigen und von oben eine schöne Aussicht über die Elbe, den Lenzener Hafen, die Elbaue, zur Fähre und natürlich zum Funkmast im Westen genießen. Die Zwischengeschosse bieten gleich noch Lektionen in Geschichte der Grenzregion und Naturkunde. Den einstigen Postenweg am Wachturm nutzen heute Radler und Wanderer für Prignitz-Touren. Ste.

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