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Rücktrittsforderungen: Kritik an Schönbohm hält an

Jörg Schönbohm hat sich inzwischen für seine umstrittenen Äußerungen zu Gewaltursachen in Ostdeutschland entschuldigt. Dennoch sieht sich Brandenburgs Innenminister verstärkt mit Rücktrittsforderungen konfrontiert.

Berlin (05.08.2005, 09:30 Uhr) - Grünen-Chef Reinhard Bütikofer sagte: «Herr Schönbohm sollte sich besinnen und gehen.» Der CDU-Politiker habe sich mit seinen Aussagen über den Fund von neun Baby-Leichen bei Frankfurt (Oder) «völlig unglaubwürdig» gemacht. «Es ist unakzeptabel, das einmalige Verbrechen eines neunfachen Kindesmordes mit Pauschalierungen zu erklären», sagte Bütikofer der «Berliner Zeitung».

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, forderte ebenfalls Schönbohms Rückzug. «Er ist zu einer Belastung für die Landesregierung Brandenburg geworden und nicht mehr tragbar», sagte Wiefelspütz der «Passauer Neuen Presse». «Herr Schönbohm hat keinen Respekt vor den Biografien der Menschen, die in der DDR gelebt haben. Er nimmt ihnen die Würde», sagte der SPD-Politiker.

Aber auch aus den eigenen Reihen gerät Schönbohm immer mehr unter Druck. Sachsen-Anhalts Verkehrsminister Karl-Heinz Daehre (CDU) forderte seinen Parteifreund indirekt zum Rücktritt auf. Der Magdeburger «Volksstimme» sagte Daehre: «Die Zeit Schönbohms ist abgelaufen. Er sollte über seine politische Zukunft nachdenken.» Daehre nannte Schönbohms Äußerungen «unverantwortlich» und «diffamierend». Zuvor hatte FDP-Vize Cornelia Pieper Schönbohm bereits zum Rücktritt aufgefordert.

Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) hatte am Donnerstag erklärt, er wolle an Schönbohm festhalten. «Einen Fehler hat jeder frei», sagte der Chef der rot-schwarzen Koalition in Potsdam der «Mitteldeutschen Zeitung». Im ZDF äußerte er sein Unverständnis über Schönbohms Aussagen: «Ich kann seine Schlussfolgerungen nicht nachvollziehen.»

Schönbohm hatte nach dem Fund der Babyleichen in Brieskow-Finkenheerd (Brandenburg) eine «erzwungene Proletarisierung» zu DDR-Zeiten für Verwahrlosung und Gewaltbereitschaft im Osten für das Verbrechen verantwortlich gemacht. Merkel sagte dazu am Donnerstag der dpa in Berlin: «Ich habe mit Jörg Schönbohm gesprochen und erwarte, dass er so schnell wie möglich diese Diskussion beendet.»

Schönbohm hielt dagegen inhaltlich an seiner Kritik am SED-Regime der DDR fest. Im totalitären System DDR sei das Thema Wertevermittlung «sehr klein geschrieben» gewesen, sagte er im ZDF. «Der Staat gab Werte vor.» «Und in der DDR war es ja auch so, dass man gut dabei fuhr, wenn man nicht zu sehr Anteil nahm am Nachbarn oder anderen Dingen.» Am Abend sagte er in der ARD-«Tagesschau»: «Bei denen, die sich verletzt und beleidigt fühlen, entschuldige ich mich, weil meine Absicht eine ganz andere ist: Ich möchte, dass wir reden, wie wir in unserem Land die Gleichgültigkeit gemeinsam bekämpfen können.»

Die toten Säuglinge waren am vergangenen Sonntag entdeckt worden. Als Täterin steht die 39 Jahre alte Mutter unter Verdacht. Weder Nachbarn noch Familienangehörige wollen von den Taten etwas bemerkt haben. (tso)

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