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Marcel Tusche ist einer von 240 Reinigungskräften der S-Bahn.

© Merle Collet

S-Bahn Berlin: Unsere Wagen sollen sauber werden

Marcel Tusche ist einer von sechs zusätzlichen Reinigungskräften, die derzeit nach dem Berufsverkehr die S-Bahnen vom Dreck befreien. Viele der täglich 1,4 Millionen Nutzer lassen den Müll einfach liegen. Bis November dauert das Versuchsprojekt.

In zwei Dreier-Teams sollen derzeit extra eingeteilte Reinigungskräfte die S-Bahn-Wagen sauber halten. Morgens, wenn der erste Schwung Berufstätiger seine ausgetrunkenen Kaffeebecher und zerknüllten Zeitungsreste hinterlässt, werden diese von den Reinigungskräften entsorgt. Zwischen 8.30 Uhr und 14.30 Uhr sind sie werktags während des Fahrgastbetriebs im Einsatz. Es ist ein Versuchsprojekt, das bis Ende November andauert.

Unübersehbar steht Marcel Tusche in seiner roten Jacke mit dem weißen Schriftzug „Sauber und frisch … ich kümmere mich!“ am Bahnsteig C des S-Bahnhofs Friedrichstraße. Als die S5 Richtung Ostbahnhof einfährt, eilt er zur offenen Tür des letzten Wagens. In der linken Hand hält Tusche eine Müllschippe mit eigens dranmontierter roter Mülltüte, in der rechten einen schwarzen Handfeger.

Die Bahn investiert 50 000 Euro in die Reinigung

„Schön’ juten Tach – DB-Service, ick rein’je hier die S-Bahn im Auftrag der Deutschen Bahn“, sagt Tusche, während er bereits am Boden den ersten Müll zusammenfegt. Ein Fahrgast, der gleich neben der Tür sitzt, verfolgt jede seiner Bewegungen. Eine ältere Frau schaut nur kurz auf, bevor sich ihr Blick wieder in einer Illustrierten verliert. „In der Regel schaffen die Reinigungskräfte einen Wagen und manchmal sogar einen Doppelwagen zwischen zwei Bahnhöfen“, sagt S-Bahn-Sprecher Ingo Priegnitz.

Die Grundidee des Projekts entstand durch die Intention der S-Bahn, in vielen Dingen besser zu werden. „Dies ist uns leider nicht in allen Bereichen möglich. Wir können beispielsweise nicht mehr Wagen zur Verfügung stellen. Aber für die Sauberkeit können wir einiges tun“, sagt Priegnitz. „Einiges“, das sind 50.000 Euro, die die S-Bahn in die Extrareinigung investiert.

Laut Priegnitz soll das Projekt eine Gratwanderung zwischen Service und Aufforderung sein. Denn die Reinigungskräfte sollen auch mit den Fahrgästen sprechen. „Im besten Fall wirft der Fahrgast dann auch mal selbst seinen leeren Kaffeebecher in den Müll.“

Die Fahrgäste sollen sensibilisiert werden, ihren Müll mitzunehmen

Marcel Tusche findet gerade diesen Aspekt an seiner Arbeit gut. Manchmal fallen auch Spezialfälle an. Dann kann es schon mal vorkommen, dass man den Zugführer benachrichtigen muss – damit der etwas länger an einem S-Bahnhof hält, bis der ganze Wagen gereinigt ist. „Aber auch die Fahrgäste sollen sich aufgefordert fühlen, Bescheid zu sagen, wenn sie Verschmutzungen vorfinden, die dringend beseitigt werden müssen. Dies passiert leider noch zu selten“, sagt Priegnitz.

Die Reinigungskräfte werden hauptsächlich werktags und nur bei besonderen Veranstaltungen auch am Wochenende eingesetzt. Die Reinigungskräfte bestimmen ihren Einsatzort größtenteils selbst. Dabei sind sie vor allem in der Ringbahn und den S-Bahnen im Zentrum tätig. Zusätzlich reagieren sie auf Anrufe der Transportleitung, falls es andernorts zu besonders schweren Verunreinigungen gekommen ist.

Priegnitz hält es nicht für sinnvoll, Mülleimer in die S-Bahn-Wagen zu montieren. „Wenn diese voll sind, versuchen die Fahrgäste ihren Müll trotzdem noch oben reinzudrücken. Das Ergebnis ist, dass er wieder auf dem Boden landet.“

Ende des Monats ist das Projekt schon wieder zuende, dann wird ausgewertet

Was auffällt, ist die Begeisterung Tusches für seinen Job. Als er nämlich einen S-Bahn-Wagen gereinigt habe am Morgen, habe neben ihm ein Mann seinen Kaffeebecher vom Boden aufgehoben und auf dem Bahnsteig in den Müll geworfen. „Da pumpt mein Herz vor Freude! Dann mache ich das noch lieber“, sagt Tusche. „Und genau das ist der erzieherische Effekt“, sagt Priegnitz.

Das Projekt soll bereits Ende des Monats wieder eingestellt werden. Eine Auswertung soll dann zeigen, ob auch in Zukunft Extrareinigungskräfte eingesetzt werden sollen. Im Frühjahr hatte die S-Bahn Berlin schon mit einem „Wellnessprogramm“ einzelne Waggons optisch aufgebessert. „Wir suchen ständig nach neuen Wegen, wie wir unseren Fahrgästen mehr Komfort bieten können“, sagt Priegnitz. Er befürwortet das Projekt vor allem, weil die Reinigungskräfte direkt auf die Fahrgäste zugehen können.

Marcel Tusche würde an seine Sechs-Stunden-Schicht gerne noch zwei Stunden dranhängen. Denn bereits nach wenigen Stationen sind die S-Bahnen wieder stark verschmutzt. Tusche gehört zu einem Reinigungsteam mit 240 Angestellten, das für die Bahn-Tochter DB Service und für die S-Bahn täglich im Einsatz ist. Tusche wünscht sich, dass das Projekt eine Zukunft hat und die Auswertungen positiv ausfallen.

Nächste Haltestelle ist der Bahnhof Alexanderplatz. Tusche steigt in den nächsten Wagen, und auch hier sieht er gleich Dreck – nicht nur zwei Bierflaschen, sondern auch die matschigen Reste einer Mandarinenschale.

Merle Collet

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