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Berlin: Samba selbst gemacht

Dora Bravin bastelt Kostüme für den Karneval der Kulturen. Sie sind genauso bunt wie das Programm

Dora Bravin zupft an einem rosa und türkisblauen Kopfstück. Tänzer huschen in grell-bunten Kostümen durch den Raum. Silberne und goldene Pailletten blitzen, Federn wehen im leichten Luftzug über den Köpfen. Aus einem Miniradio dudelt Samba. Musik, wie sie auch nächste Woche auf dem Karneval der Kulturen vom Wagen von Anaconda, Dora Bravins Sambaschule, laufen wird.

Heute ist letzte Kostümprobe vor dem Umzug. Seit Oktober näht die 39-jährige Brasilianerin an den Verkleidungen für sich und ihre Schüler. Thema dieses Jahr: ein Mythos der südamerikanischenTupi-Indianer. Die schöne Lara kann nicht schlafen und bittet ihren Gott, die Nacht zu schaffen. Schließlich hilft ihr das Gefieder der Vögel im Urwald, hell und dunkel auseinander zu halten. 15 Tänzer bekommen ein Tupi-Kostüm, aber es gibt auch den Abendstern mit silbernen Stoffteilen und Pailletten, die Nacht mit riesigen blauen Federn auf dem Kopf, Hawaii-Kostüme mit Kokosnuss-Körbchen und einen großen grünen Papagei.

Es ist der vierte Karneval der Kulturen für die Schule Anaconda. Das vierte Mal, dass Dora Bravin Dutzende von Kostümen herstellt, seit Monaten eine Choreografie probt. Die bunten Outfits sind aus Karton mit aufgenähtem Stoff, Perlen, Kordeln und echten Federn aus dem Amazonas. „Wenn die nass werden, sind sie sofort kaputt“, sagt Dora Bravin. Für die Oberteile arbeitet sie mit Draht und weichem Untermaterial. Die meisten Bestandteile hat sie in Brasilien gekauft. Vieles bekommt man aber auch in Deutschland. Eine Papageienfeder etwa kostet im Bastelgeschäft drei Euro. 50 bis 60 Stück bracht man für ein Kostüm.

Für Dora Bravin sind die letzten Wochen vor dem Umzug am härtesten. Die 39-jährige Altenpflegerin muss oft noch in Nachtaktionen Kostüme fertig stellen. Nach dem Karneval arbeitet sie die alten Outfits dann für das nächste Jahr um. In Brasilien hat sie in den meisten großen Sambaschulen und beim großen Karneval mit getanzt. Da muss sie den Besuch aus der Heimat oft ein wenig vorwarnen. „Der Karneval in Berlin hat mit dem in Rio nichts zu tun.“

Bis kurz vor dem Umzug sind in der Formation noch Plätze frei. Martina Bade zum Beispiel ist am Wochenende vor dem Karneval zu Anaconda gestoßen. Sie wird das Nacht-Kostüm tragen. Tanzen wird die 44-jährige Logopädin in der kurzen Zeit nicht mehr lernen, das muss sie auch nicht, denn sie fährt auf dem Wagen mit.Wer richtig Samba tanzen möchte, sollte sich nach der Sommerpause melden.

Alles muss für den Straßenumzug perfekt sein. 108 Formationen laufen dieses Jahr mit, 33 sind neu dabei, ein gutes Dutzend reist aus anderen Städten oder aus dem Ausland an. Chinesische, schwedische und koreanische Gruppen sind ebenso dabei wie Bobby Gomes Reis, ein berühmter Capoeira-Tänzer. Seine Formation, die eine Mischung aus Kampfsport und Tanz zeigt, wird bei Anaconda mitmarschieren – unter den Augen der Karnevalsjury. Drei Gesamtformationen, ein Einzelwagen und zwei Kinder- und Jugendgruppen werden am 31. Mai um 14 Uhr auf der Barrio-Latino-Bühne am Blücherplatz ausgezeichnet – nur einer von vielen Höhepunkten des Straßenfestes mit seinen fünf verschiedenen Musikbühnen.

Nach dem Umzug wird sich Dora Bravin, die das Kostüm der schönen Lara trägt, wohl erst einmal ausruhen. Denn nach acht Stunden pausenlosem Tanz auf Highheels wird sie wohl eher auf Knien nach Hause gehen.

Karneval der Kulturen, 28. bis 31. Mai Straßenfest auf dem Blücherplatz, Kreuzberg, Fr. 16-24 Uhr, Sa/So 11-24 Uhr, Mo. 11-19 Uhr. Am 30. Mai Straßenumzug von 12.30 bis ca. 21.30 Uhr (siehe Grafik). Weitere Informationen unter www.karneval-berlin.de.

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