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Ärztliche Vorsorge: Sanfter Druck beim Kinderschutz

Seit 2010 werden Eltern an Arztbesuche für ihre Kinder erinnert. Das System hat sich bewährt, sagt die SPD.

Der Begriff klingt sperrig und bürokratisch – aber dahinter verbirgt sich etwas sehr Konkretes, das nach Ansicht der SPD ein richtiges Erfolgsmodell ist: Vor einem Jahr wurde in Berlin das „verbindliche Einladewesen“ eingeführt, in dessen Rahmen Eltern konsequent an all jene ärztlichen Untersuchungen für ihre Kinder erinnert werden, die der Früherkennung von Krankheiten und Risiken dienen. Dadurch sind in den vergangenen zwölf Monaten deutlich mehr Kinder zu Vorsorgeuntersuchungen gegangen, bilanzierten gestern die SPD-Familienpolitikerin Sandra Scheeres, der SPD-Gesundheitspolitiker Thomas Isenberg und die Steglitz-Zehlendorfer Gesundheitsstadträtin Barbara Loth.

An den sogenannten U4- bis U7-Vorsorgeuntersuchungen, die zwischen dem dritten Lebensmonat bis zum Alter von zwei Jahren stattfinden, hätten im Durchschnitt 92 Prozent der Eltern mit ihren Kindern teilgenommen, bilanzieren die Politiker. In anderen Bundesländern wie Hessen liege die Quote nur bei 60 Prozent. Bei der „U7a“ genannten Untersuchung, in deren Rahmen unter anderem der Kiefer der Kinder sowie mögliche Allergiebelastungen untersucht werden, habe sich die Vorsorgequote gar von 22 auf 55 Prozent verdoppelt.

„Das System ist bundesweit einzigartig und wird sehr gut angenommen“, sagt Familienpolitikerin Scheeres. Praktisch funktioniere es so: Grundlage sind die Daten des sogenannten Neugeborenen-Screenings zur Früherkennung von Stoffwechselkrankheiten, dem nahezu alle in Berlin geborenen Kinder unterzogen werden. Wer hier erfasst wurde, bekommt ein Vorsorgeheft, über das jeder spätere Arztbesuch registriert wird. Bleibt eine der Vorsorgeuntersuchungen aus, erhalten die Eltern einen Erinnerungsbrief. Ignorieren sie den, folgt ein persönlicher Besuch von Mitarbeitern des bezirklichen Kinder- und Jugendgesundheitsdienstes. 33 300 Erinnerungsbriefe wurde alleine im vergangenen Jahr verschickt, jede Woche bekommen die Gesundheitsdienste rund 70 bis 100 Meldungen. Die meisten Eltern nehmen die Erinnerungen positiv auf, sagen die Politiker. Manche seien einfach überfordert und reagierten dankbar auf Unterstützungsangebote der Behörden. Etwa jedes dritte Berliner Kind hat „massive gesundheitliche Probleme“, sagt Gesundheitspolitiker Isenberg – von Übergewicht und Schäden durch Rauchen in der Wohnung über schlechte Zähne bis zu fehlenden Impfungen reicht die Mängelliste. Viele Eltern erführen erst durch das Erinnerungsschreiben, „was wir in den Bezirken alles an Unterstützung anbieten“, sagt Stadträtin Loth.

Das „verbindliche Einladewesen“ ist Teil des Kinderschutz-Netzwerkes, das die Koalition mit externen Fachleuten, der Polizei, den Krankenhäusern und anderen Institutionen erarbeitet hat. Die zentrale Stelle für das Einladungs- und Rückmeldeverfahren sitzt an der Charité, dazu kommen zusätzlich 24 Betreuer in den Bezirken. Die Kosten des Projekts betragen nach Angaben von SPD-Fraktionssprecher Thorsten Metter insgesamt rund 2,13 Millionen Euro pro Jahr. Zum Aufbau gab es als Anschubfinanzierung 170 000 Euro.

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