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Berlin: Sanierung der BVG: Auch "politische Ruinen" belasten den Verkehrsbetrieb - Einmischungen ohne Rücksicht auf die Folgekosten

Noch Anfang der 90er Jahre galt die BVG als "weltweit größter Sanierungsfall" im Nahverkehr. Das jährliche Milliarden-Defizit - 1994 musste der Senat dem Betrieb noch 1,4 Milliarden Mark zuschießen - war allerdings weniger auf ein Missmanagement des Vorstandes zurückzuführen.

Noch Anfang der 90er Jahre galt die BVG als "weltweit größter Sanierungsfall" im Nahverkehr. Das jährliche Milliarden-Defizit - 1994 musste der Senat dem Betrieb noch 1,4 Milliarden Mark zuschießen - war allerdings weniger auf ein Missmanagement des Vorstandes zurückzuführen. Die BVG litt und leidet vielmehr vor allem unter politischen Vorgaben, intern als "politische Ruinen" bezeichnet.

In der getrennten Stadt war die BVG nicht nur ein Verkehrsbetrieb, sondern auch ein Instrument der Arbeitsmarktpolitik - mit einem politsch gewollten üppigen Personalbestand, der auch nach Rationalisierungen meist erheblich über dem Bedarf lag.

Auch verkehrspolitische Entscheidungen wirkten sich auf den Personalbestand aus. So hatte der erste rot-grüne Senat 1989 beschlossen, auf fast allen Buslinien den Zehn-Minuten-Takt einzuführen. Die BVG stellte daraufhin rund 1500 zusätzliche Mitarbeiter ein. Mit der Großen Koalition aus CDU und SPD erfolgte dann eine Wende in der Verkehrspolitik. Busse sollten nur noch dort fahren, wo auch genügend Fahrgäste einstiegen. Damit hatte die BVG plötzlich 500 Busfahrer zu viel an Bord.

Die Spitze wurde allerdings mit der Fusion von BVB (Ost) und BVG (West) 1992 erreicht, die ebenfalls politisch vorangetrieben worden war. Mit einem Schlag hatte die BVG plötzlich fast 30 000 Mitarbeiter. Beim Stellenabbau war der Betrieb auf den natürlichen Wechsel angewiesen. Betriebsbedingte Kündigungen sind ausgeschlossen. Der Vertrag kam auch auf Druck des damaligen Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen zustande, der vor den Wahlen 1995 einen längeren Streik verhindern wollte. Dafür lockte der Vorstand mit Abfindungen. Zunächst wurde das Ausscheiden mit maximal 40 000 Mark versüßt, dann sogar mit bis zu 100 000 Mark, die allerdings versteuert werden mussten.

Das Angebot hatte aber auch unerwünschte Folgen. Weil mehr Mitarbeiter aus dem Fahrdienst als erwartet den Betrieb verließen, fehlte am Ende das Personal vor allem am Steuer der Busse, aber auch in den Kabinen bei der Straßen- und der U-Bahn. Erhalten blieb dagegen bis heute der Überhang in der Verwaltung.

Politiker mischten sich auch in die Planungen des Verkehrsbetriebes ein, ohne dann für die dadurch entstandenen Kosten aufzukommen. Sie verlangten mit Blick auf ihre Wähler bestimmte Leistungen oder wehrten sich gegen Veränderungen im Liniennetz - ohne Rücksicht auf die Kosten.

Nur auf Druck des Senats beschafft der Verkehrsbetrieb derzeit auch weitere neue U-Bahnen, die er nach eigenen Angaben für den Betrieb gar nicht benötigt. Der Senat wollte damit das ehemalige Adtranz-Werk in Pankow retten, wo die U-Bahnen montiert werden. Um die Übernahme des Adtranz-Werkes durch den Stadler-Konzern zu sichern, musste die BVG den Kaufauftrag erfüllen, von dem sie zurücktreten wollte. Das Geld für die Züge fehlt jetzt an anderen Stellen.

Einmischungen der Politik gibt es nach wie vor auch bei den Tarifen. Hier hat Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) bei der Tarifänderung am 1. August nicht nur billigere Schülertickets durchgesetzt, sondern auch eine neue Berlin-Card. Sie kostet 69 Mark im Jahr und berechtigt zum Kauf von Ermäßigungsfahrscheinen bei allen Fahrten. Hier befürchten die Verkehrsbetriebe nicht nur Einnahmeausfälle, sondern durch den Mehraufwand beim Einzelfahrschein auch höhere Betriebskosten. Jetzt haben die Grünen angekündigt, sie wollten bei einer Bestätigung der rot-grünen Koalition nach den Wahlen die Fahrpreise um ein Drittel senken - gegen den Widerstand der BVG.

Und zuletzt fungierte die BVG sogar als Kreditbeschaffer für die Krankenhausgesellschaft, was auch nicht unbedingt zu ihren originären Aufgaben gehört.

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