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Berlin: Sarrazin bittet: „Schießen Sie nicht auf den Pianisten“ Brief des Finanzsenators an die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus

Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) ist der parteiinternen Kritik entgegengetreten, er gehe mit unabgestimmten Sparvorschlägen an die Öffentlichkeit. Seit dem Senatsbeschluss über den Haushaltsentwurf 2002/03 am 19.

Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) ist der parteiinternen Kritik entgegengetreten, er gehe mit unabgestimmten Sparvorschlägen an die Öffentlichkeit. Seit dem Senatsbeschluss über den Haushaltsentwurf 2002/03 am 19. März „habe ich öffentlich keinen einzigen konkreten, nicht durch Senatsbeschlüsse gedeckten Sparvorschlag gemacht“, schrieb der Senator in einem Brief an alle SPD-Fraktionsmitglieder.

In der Fraktion war es zu Irritationen gekommen, weil Zeitungen über Wahlkampfveranstaltungen mit Sarrazin berichteten, in denen der Senator beispielsweise über eine verwaltungsinterne Spar-Liste und beabsichtigte Kürzungen bei der Wohnungsbauförderung berichtete. „Die Problematik der Wohnungsbauförderung habe ich erstmals im Februar 2002 öffentlich aufgeworfen und dazu seitdem nichts Neues gesagt“, versicherte Sarrazin in seinem Brief, der dem Tagesspiegel vorliegt. Und selbstverständlich stehe er jederzeit für Gespräche und Diskussionen mit den SPD-Abgeordneten zur Verfügung.

Gleichzeitig machte er der eigenen Fraktion klar, dass es seine Aufgabe als Finanzsenator sei, den Konsolidierungsbedarf zu ermitteln und zu benennen, auf Ausstattungsunterschiede Berlins zu anderen Bundesländern hinzuweisen und „den politischen Handlungsbedarf zu thematisieren.“ Sarrazin erinnerte die Parteifreunde daran, dass die Finanzplanung des Senats einen „noch ungedeckten finanzpolitischen Handlungsbedarf“ von 1,3 Milliarden Euro enthalte. Außerdem einen noch nicht realisierten Sparbeitrag von 500 Millionen Euro im Personalbereich (“Solidarpakt“). Absehbare Mehrausgaben für die Sozialhilfe und andere Transferausgaben und Steuerausfälle von 300 Millionen Euro kämen hinzu.

Sarrazin teilte der SPD-Fraktion auch mit, dass sich dieser Konsolidierungsbedarf noch erheblich erhöhen wird, wenn der Bund dem Land Berlin nicht erheblich bei der Entschuldung hilft. Mit dieser Situation müsse sich die SPD/PDS-Koalition im Herbst „gesamthaft befassen.“ In der Finanzverwaltung des Senats liefen dazu entsprechende Vorüberlegungen, „die zu gegebener Zeit auf politischer Ebene zu diskutieren sind.“ Gemeint sind damit Vorschläge für große Strukturreformen im öffentlichen Bereich, die dauerhaft Geld sparen.

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und SPD-Fraktionschef Michael Müller haben den sehr offensiven Finanzsenator kürzlich ein wenig gebremst. Sarrazin solle erst die Fraktion und dann die Öffentlichkeit über geplante Sparschritte informieren, mahnte Müller an. Und Wowereit murrte: „Nicht alles, was in den Denkstuben der Finanzverwaltung ausgeheckt wird, ist so in die Wirklichkeit umsetzbar.“ Auch der Koalitionspartner PDS runzelte über so manche Äußerung des Senators die Stirn; vor allem, wenn sie den Sozial- und Personalbereich betraf. Das Fazit von Sarrazin, die Kritik an seiner Person betreffend: Im persischen Reich sei es vor 2500 Jahren üblich gewesen, die Überbringer schlechter Nachrichten umzubringen. Dieses Stadium sollte die Berliner Landespolitik hinter sich gebracht haben. „Mit François Truffaut äußere ich die herzliche Bitte: Schießen Sie nicht auf den Pianisten.“ Ulrich Zawatka-Gerlach

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