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Berlin: Sarrazin gibt Nachhilfe im Haushalten

Hauptausschuss diskutiert über Forderungen der Bezirke nach mehr Geld Finanzsenator sieht keinen zusätzlichen Bedarf für neue Aufgaben

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

„Die Bezirke baden in Personalmitteln und haben überall Reserven sitzen.“ Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) ließ sich auch gestern, im Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses, nicht vom Gegenteil überzeugen. „Ich sehe beim besten Willen nicht, wo Mangel herrschen soll“, rief er dem Bezirksbürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, Franz Schulz (Grüne), zu. Dennoch hegen Bezirkspolitiker und Opposition im Landesparlament, aber auch die Regierungsfraktionen SPD und Linke Zweifel daran, dass Sarrazin mit seiner Einschätzung richtig liegt.

Anlass der Diskussion im Hauptausschuss, die von der FDP beantragt wurde, war die Weigerung der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Friedrichshain-Kreuzberg, den bezirklichen Haushaltsentwurf 2008/09 zu beschließen. Die übrigen elf Bezirke haben sich zwar durchgerungen, ihre Etats zu beschließen und dem Abgeordnetenhaus vorzulegen, aber nur mit zusammengebissenen Zähnen. Sie hoffen auf einen finanziellen Nachschlag. Vor allem für zusätzliche kommunale Aufgaben, mit denen sie vom Senat betraut werden sollen. Dazu gehören die Kontrolle der Umweltzone und des Rauchverbots, das Netzwerk Kinderschutz oder die ärztlichen Schuleingangsuntersuchungen.

Marzahn-Hellersdorf wiederum hat in letzter Minute in harten Verhandlungen mit der Finanzverwaltung einen Entschuldungsplan ausgehandelt. Der am höchsten verschuldete Bezirk (34 Millionen Euro) will bis 2011 über 20 Millionen Euro Altschulden abbauen. Auch das sind Probleme, mit denen die Bezirke fertig werden müssen. „Die bezirklichen Defizite haben eine Dimension erreicht, die beispiellos ist“, sagte Schulz gestern. Auch das rot-rot dominierte Pankow hadert öffentlich mit dem Finanzsenator. Dagegen empfahl Sarrazin im Parlamentsausschuss, „die Zahlen tiefer anzubohren“. Der Senat habe das Personalbudget der Bezirke ab 2008 sogar um 25 Millionen Euro erhöht, obwohl das gar nicht nötig gewesen wäre. Mit den überzähligen Mitteln könnten die Bezirke ohne weiteres andere Aufgaben finanzieren. „Da haben Sie die Werte, nach denen Sie suchen“, entgegnete er Schulz. Gerade Friedrichshain-Kreuzberg gehe nicht mit gutem Beispiel voran. So sei die Zahl der Wohngeld- und Sozialhilfefälle drastisch gesunken, das bearbeitende Personal sei aber weitgehend geblieben.

Unbeeindruckt von solchen Argumenten erinnerte der CDU-Haushälter Florian Graf daran, dass die Kritik an der Bezirksfinanzierung parteiübergreifend zunehme. „Die Diskussion hat flächendeckend eine neue Qualität erreicht“, sagte der Grünen-Haushaltsexperte Oliver Schruoffeneger, und der FDP-Abgeordnete Sebastian Czaja forderte, den tatsächlichen Mehrbedarf für die neuen Aufgaben, die den Bezirken auferlegt wurden, schnell zu beziffern. Damit stieß er bei den Koalitionsfraktionen auf offene Ohren, besonders bei der Linken, deren Finanzfachmann Carl Wechselberg die Frage stellte: „Welche Leistungen erwarten wir von den Bezirken auf welchem Niveau?“ Es gebe inzwischen eindeutig Schwierigkeiten, die bürgernahen Dienstleistungen mit den vom Senat zugewiesenen Geldern zu erfüllen. Seit Jahren klagten die Bezirke, das Ende der Fahnenstange sei erreicht. „Jetzt müssen wir, solide und seriös, herausfinden, wo das Ende der Fahnenstange tatsächlich ist.“

Auch die SPD-Abgeordnete Jutta Leder gab zu, dass die Debatte um die Finanzierung kommunaler Dienstleistungen eine neue Qualität erreicht habe. Dabei habe Friedrichshain-Kreuzberg nicht einmal die größten Probleme. Koalitionsintern wird derweil über eine Aufbesserung der Bezirksbudgets um weitere fünf bis zehn Millionen Euro nachgedacht. Ulrich Zawatka-Gerlach

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