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Selbst wenn für den Laien alles stimmt wie hier, schlägt häufig das Hygienebarometer aus.

© dpa

Sauber reicht nicht: Berlins Gastwirte kritisieren Hygienekontrollen

Berlins Hygienekontrolleure kennen keine Gnade. Küchen, die keinen festen Putzplan haben, werden abgestraft – auch wenn ansonsten alles sauber ist. Die Wirte sind sauer.

Von Fatina Keilani

Einen Putzplan hatte Erik Bauersfeld bisher nicht. „Wir sind hier zu zweit, da brauchen wir das eigentlich nicht“, sagt der Wirt des „Alten Rathauses“ in Lichtenberg. Das gab Punktabzug – für das Fehlen des Plans, nicht für mangelnde Sauberkeit, denn an der war nichts auszusetzen. In Bauersfelds Kühlschrank war es auch kalt genug. Trotzdem Punktabzug: Er hatte nicht jeden Tag in einer Tabelle festgehalten, wie viel Grad darinnen herrschten. „Das ist so vorgeschrieben, und jetzt mache ich es auch“, sagt der Gastwirt. „Aber jetzt kommt keiner mehr prüfen.“ Der Kontrolleur des Bezirksamts habe ihm gesagt, er selbst würde bedenkenlos im „Alten Rathaus“ essen. Dennoch gab er ihm bloß die Note „zufriedenstellend“.

Bauersfelds Kneipe war unter den ersten 14 Gaststätten, die von Hygienekontrolleuren besucht wurden und deren Prüfergebnis ins Internet gestellt wurde. Nur ein einziger der im ersten Durchgang getesteten Betriebe schaffte es, überhaupt keinen Punkt abgezogen zu bekommen und errang damit die Note sehr gut, nämlich der Hähnchengrill City Chicken am Tempelhofer Damm. Mittlerweile sind noch sieben weitere Gaststätten dazugekommen, die ebenfalls die Note „sehr gut“ einheimsten – darunter die „Paris Bar“ und das Restaurant eines Seniorenheims. Auch Ikea wurde getestet – mit „gut“.

Die bezirklichen Kontrolleure sind die ganze Woche unterwegs und melden ihre Ergebnisse freitags dem Senat. Der stellt sie montags ins Internet. Bis alle 14 000 Berliner Gastronomiebetriebe erfasst sind, kann es noch viele Jahre dauern. Bis Ende August standen 36 Ergebnisse im Internet. Genau daran entzündet sich die heftige Kritik.

Die CDU meint, all jene Gaststätten würden stigmatisiert, die noch nicht berücksichtigt wurden, quasi durch unterlassen. Die Industrie- und Handelskammer (IHK) meint, mindestens müsse dem Gast doch mitgeteilt werden, was überhaupt beanstandet wurde. Das meint auch Wirt Bauersfeld: „Es sollte nicht nur das Ergebnis der Kontrolle im Fenster hängen, sondern auch die Gründe für einen Punktabzug.“ Dann könne der Gast selbst entscheiden, ob der festgestellte Mangel ihn abhält. So wird es in Dänemark gemacht. Dort hängt der ganze Kontrollbogen im Fenster der Gaststätte aus. Alles andere lasse ein schiefes Bild entstehen, meint nicht nur Bauersfeld.

Kritik an dem Prüfzeichen in seiner derzeitigen Form kommt von vielen Seiten. Es ist eine Farbskala, auf der ein Pfeil anzeigt, wie ein Betrieb abgeschnitten hat. „Ein solches Piktogramm, dessen Ampelfarben eine Warnung aussprechen, lehnen wir ab,“ sagt Tine Fuchs, beim Deutschen Industrie- und Handelstag (DIHK) zuständig für nationale Verbraucherpolitik. „Es zeigt ja nicht, was beanstandet wurde.“ Schon eine gesprungene Fliese könne zur Abwertung führen. Sei das erst einmal geschehen, könne es bis zur Rehabilitation Jahre dauern, auch wenn der Mangel sofort behoben werde.

Misslich, aber so ist es, bestätigt Marie-Luise Dittmar von der Senatsgesundheitsverwaltung. „Kurzfristig ein zweites Mal zu kommen, weil der Wirt die Mängel abgestellt hat, das ist nicht leistbar.“ Ohnehin würden die bezirklichen Kontrolleure nur ihrer normalen Arbeit nachgehen, Extrakontrollen wegen des neuen Hygienebarometers gebe es nicht. Das Ganze ist eine Mammutaufgabe. 54 000 lebensmittelverarbeitende Betriebe gibt es nach Senatsangaben in Berlin – und dafür 83 Kontrolleure. Laut Dittmar wurden in Berlin im Jahr 2008 rund 32 600 Betriebe überprüft. Ob das Verbraucherinformationsgesetz die Veröffentlichung der Daten im Internet zulasse, müssten am Ende Gerichte entscheiden – der Senat jedenfalls halte dieses Vorgehen für rechtmäßig.

Das sieht der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) ganz anders. „Jede Veröffentlichung einer Hygienekontrolle ist eine Momentaufnahme, aber eine zeitnahe Nachkontrolle kann aufgrund des Personalmangels in den Bezirken nicht garantiert werden“, sagt der Berliner Dehoga-Hauptgeschäftsführer Thomas Lengfelder. Es verstoße auch gegen die Verfassung, „dass schon bei marginalen Mängeln ein Betrieb 30 Minuspunkte erhält und somit nur im mittleren Bereich der Farbskala landet.“ Das verwirre die Verbraucher und gefährde den Wirt unberechtigt in seiner Existenz. „Sobald ein Mitgliedsbetrieb betroffen ist, werden wir die Angelegenheit rechtlich überprüfen lassen“, kündigte Thomas Lengfelder an.

Infos und Ergebnisse auf

www.berlin.de/sicher-essen

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