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Saubere Sache in Charlottenburg-Wilmersdorf: Bock auf Freiraum

Vor 30 Jahren machten Charlottenburger aus einer Brache ein Idyll: den Ziegenhof. Für seinen Bestand kämpften sie – und tun es noch.

Und so werden die Vereinsmitglieder, Anwohner und Besucher einigermaßen unbeschwert den 30. Geburtstag des Ziegenhofs feiern – am Aktionstag des Tagesspiegels. Den ganzen Tag über kann man sich am 15. September (Eingang: Danckelmannstr. 16) eine Ausstellung zur Geschichte des Ziegenhofs ansehen, es gibt Führungen und es wird ein Lehmofen gebaut, mit dem Kinder backen üben. Schon am Freitag, 14. September, geht das Fest abends los, mit Filmen zur Kiezgeschichte. Kontakt können Sie zu den Initiatoren dieser Veranstaltung über einen Klick auf die Karte oben aufnehmen. Sie wollen sich an der Aktion beteiligen, aber an anderer Stelle aktiv werden? Hier können Sie Ihre eigene "Saubere Sache"-Aktion anmelden und mit dem Tagesspiegel in Kontakt treten.

Friedliche Koexistenz. Klaas Ehlers vom Verein Blockinitiative 182 kümmert sich um die meckernden Bewohner, die dem Ziegenhof Charlottenburg seinen Namen gaben. Das Gelände in einem sozial schwachen Kiez ist wichtiger Treffpunkt für Familien.
Friedliche Koexistenz. Klaas Ehlers vom Verein Blockinitiative 182 kümmert sich um die meckernden Bewohner, die dem Ziegenhof Charlottenburg seinen Namen gaben. Das Gelände in einem sozial schwachen Kiez ist wichtiger Treffpunkt für Familien.

© Doris S.-Klaas

Samson blinzelt in die Sonne. Der große Bock steht da, als sei er die Hauptperson, hier auf dem Ziegenhof in Charlottenburg. Drei Artgenossen leben mit ihm in seinem Gehege und manchmal dürfen die vier auch auf dem Rest des hügeligen Geländes grasen, zwischen Bäumen, Blumen und Kräuterbeeten. Aber eigentlich, sagt Klaas Ehlers vom Verein Blockinitiative 182, seien die vier Tiere, nach denen der Ziegenhof benannt ist, nicht das, was diesen Ort ausmache. „Das hier ist kein Streichelzoo. Es geht um den Freiraum, den sich Charlottenburger hier geschaffen haben.“ Ein Stück Stadtgeschichte.

Vor genau 30 Jahren entstand das 6000 Quadratmeter große Areal zwischen Seeling-, Danckelmann-, Sophie-Charlotten- und Knobelsdorffstraße. Auf alten Fotos sieht man nur eine braune, zerfurchte Brache, entstanden durch die sogenannte „Blockentkernung“. Die alten Höfe und Häuser waren zu eng gewesen. „Eigentlich sollte noch mehr abgerissen werden und statt der Altbauten Neubauriegel entstehen“, sagt Ehlers. „Aber dagegen haben sich die Anwohner gewehrt.“

Sie rissen Bauzäune ab, führten lange Auseinandersetzungen mit den Behörden, schufen schließlich den Park, jene kleinen Hügel, die Kinder so gern hinuntersausen mit Rädern, Schlitten oder zu Fuß. Sie pflanzten Büsche, Blumen und Bäume auf dem unfruchtbaren Brachenboden – mithilfe der Ziegen. „Die Tiere wurden angeschafft, um mit dem Mist den Boden fruchtbar zu machen“, sagt Ehlers. Der 53-jährige Sprachwissenschaftler, seit 1992 Vereinsmitglied, kümmert sich regelmäßig um Ziegen und Mist.

Etwa 30 aktive Mitglieder hat die Initiative zurzeit. Kaum einer ist seit der Gründung dabei. Sie füttern die Ziegen, kümmern sich um die Bienen, sammeln Müll, schneiden die Büsche, gießen die Pflanzen – und gärtnern. Gerade schaut Fritzkarl Stumpf, 55, Regisseur und seit 2007 Mitglied der Initiative, im Ziegengehege vorbei. „Wir schaffen hier eine Vision, so sollte es in der Stadt der Zukunft aussehen“, sagt Stumpf. Er kümmert sich um die Hochbeete und das Gemüse. „Der Platz hat eine unglaubliche soziale Kraft“, findet er und meint, dass Familien, die rings um den Hof wohnen, sich hier kennenlernen und dann gegenseitig helfen.

„Das hier ist traditionell einer der sozial schwächeren Kieze in Charlottenburg, in dem auch viele Migrantenfamilien leben“, erklärt Ehlers. „Hier lernen Kinder einen verantwortlichen Umgang mit der Umwelt. Wir vermitteln ihnen, dass man Verantwortung für seine nähere Umgebung übernehmen muss.“ Drei Kitas liegen in unmittelbarer Nähe, eine von ihnen hat gerade ein eigenes Kräuterbeet. „Vormittags sind die Kinder mit ihren Erzieherinnen hier, nachmittags mit den Eltern, und wenn sie größer sind, kommen sie allein, weil die Eltern keine Angst haben, dass ihnen hier etwas passiert“, sagt Ehlers.

Er selbst hat manchmal Angst – um die Bäume. Die Mitarbeiter des Grünflächenamtes leerten meist nur die Mülleimer, sagt er. Doch manchmal „kommen sie mit der Kettensäge und fällen ohne Vorwarnung Bäume, die wir gepflanzt haben.“ Oft werde mehr als nötig abgesägt, um Geld zu sparen. Dann müssten die Säger nicht so schnell wiederkommen.

Ehlers geht es nicht nur um die Bäume, sondern ums Prinzip: „Man zeigt uns immer mal wieder, dass wir hier nichts zu sagen haben.“ Erst seit Mitte der Neunziger ist der Ziegenhof eine öffentliche Grünfläche, vorher gehörte er der Wohnungsgesellschaft Gewobag. Die Zusammenarbeit der – wie Ehlers sie nennt – „radikalen Ehrenämtler“ mit dem Bezirksamt war nicht immer einfach. Jahrelang habe der Bezirk sie mit 1000 Euro pro Jahr unterstützt – bis vor zwei Jahren, sagt Ehlers. Das sei ja noch in Ordnung. Doch dann sollte der Verein eine hohe Wassernachzahlung aus eigener Tasche leisten, weil in einem trockenen Sommer Büsche, Bäume und andere Pflanzen zu intensiv gegossen worden seien. Außerdem wollte der Bezirk einen Nutzungsvertrag unterschrieben haben, in dem stand, dass der Verein vielleicht irgendwann alles zurückbauen müsse. Das Amt dachte dabei wohl nur an den Ziegenstall. Für Ehlers und seine Mitstreiter klang es, als sollten sie den ganzen Park abschaffen. Schließlich waren sie auch am Bau und an der Gestaltung des Spielplatzes beteiligt. Die Differenzen ließen sich aus dem Weg räumen, Stadtrat Marc Schulte (SPD) lenkte ein, Vertrag und Wassernachzahlung waren vom Tisch.

Und so werden die Vereinsmitglieder, Anwohner und Besucher einigermaßen unbeschwert den 30. Geburtstag des Ziegenhofs feiern – am Aktionstag des Tagesspiegels. Den ganzen Tag über kann man sich am 15. September (Eingang: Danckelmannstr. 16) eine Ausstellung zur Geschichte des Ziegenhofs ansehen, es gibt Führungen und es wird ein Lehmofen gebaut, mit dem Kinder backen üben. Schon am Freitag, 14. September, geht das Fest abends los, mit Filmen zur Kiezgeschichte. Kontakt können Sie zu den Initiatoren dieser Veranstaltung über einen Klick auf die Karte oben aufnehmen. Sie wollen sich an der Aktion beteiligen, aber an anderer Stelle aktiv werden? Hier können Sie Ihre eigene "Saubere Sache"-Aktion anmelden und mit dem Tagesspiegel in Kontakt treten.

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