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Die Gedenktafel für den Ginkgo biloba liegt auf einem Marmorblock am Breitscheid-Platz (Charlottenburg).

© OTFW, Berlin / Wikimedia.org - – Das Bild darf unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation verwendet werden.

Schauplatz Berlin (Auflösung 13): Ein Baum für die Ewigkeit

Fast an jeder Ecke in Berlin hängt eine Gedenktafel, 2820 sind es insgesamt. Der Tagesspiegel bietet jede Woche ein Gedenktafel-Rätsel. Hier finden Sie, liebe Leserinnen und Leser, die Auflösung zu unserer dreizehnten Folge.

Das urtümliche Gewächs regt die Fantasie an. Wer den Ginkgo biloba sieht und über ihn nachdenkt, projiziert in seine Existenz alles Bedeutsame hinein. Aus seinen Blättern und Früchten werden Heilmittel gegen Durchblutungsprobleme gewonnen. Im Sommer ist ein Exemplar seiner unvorstellbar alten, schädlingsresistenten Spezies am Gleisdreieck als Friedenssymbol gepflanzt worden. In Schöneberg haben schwule Aktivisten den Geheimnisumwitterten und in seiner geschlechtlichen Orientierung mal männlich, mal weiblich ausgerichten Baum dazu bestimmt, auf ihre eigene Daseinsberechtigung zu verweisen. In West New York (New Jersey) an der nordamerikanischen Ostküste erblickten Gläubige jüngst in einem angeblich kurzfristig aus dem Boden geschossenen Objekt dieser Gattung eine Heiligenerscheinung. Kaum zu glauben ist der historisch belegte Bericht, dass im August 1945 Ginkgo-Exemplare die nukleare Strahlung von Hiroshoma nahe dem Explosionszentrum aushielten – und trotz weitgehender Verkohlung neue Sprößlinge trieben.

Die bronzene Gedenktafel für dieses außergewöhnliche Geschöpf wurde 1989, quadratmetergroß, auf einem Marmorsockel befestigt und damit – anlässlich der Pflanzung dreier solcher Gesellen – auf den Breitscheid-Platz an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche gestellt. Jene drei Bäume hatte der scheidende Landesvater Richard von Weizsäcker Mitte der 1980er Jahre seiner Stadt zum Abschied geschenkt. Die sagenhafte Aura, wie sie solchen Exoten anhaftet, hat allerdings seit geraumer Zeit nichts mehr mit Raritiät zu tun. Über anderthalbtausend gibt es mittlerweile davon in Berlin. Dabei kam die Spezies vor knapp zweihundert Jahren, als Goethe ihr 1815 am Heidelberger Schloss erstmals ergriffen gegenüberstand, europaweit kaum noch vor. Die Faszination ihrer vorzeitlichen Herkunft und das Flair ihrer ewigen Überlebens-Botschaft hat Forscher, Gartenfreunde und Esoteriker landauf landab zur erfolgreichen Nachzüchtung animiert.

Zu finden ist die Gedenktafel dieses archaischen Boten mit ältestem Erbgut leicht, aber im derzeit chaotischen Umfeld rund um die Gedächtniskirche kaum zu verstehen. Seine einzigartig gespaltenen Blätter sind auf der Platte abgebildet, neben dem Aufruf Ben Wagins, Baumpate zu werden. Darüber stehen die Zeilen des ergriffenen Goethe, der sich botanisch angeregt fühlt, über „Ich“ und „Du“ und multiple Identität zu philosophieren. Vor der Tafel ragt ein Bauzaun. Dahinter Container. Über den Platz führen silberne Entlüftungsrohre. Ein paar Meter weiter parken provisorisch Verbrennungsmotoren mit Rädern. Eine Spezies, die schon soviel (s.o.) durchgestanden hat, wird selbst Berlins Stadt-Verschönerungsplanung, Berliner Baustellen und Berlins Platzvermüllungs-Evente Anno 2013 überdauern, das dürfen wir hoffen.

Das urtümliche Gewächs regt die Fantasie an. Wer den Ginkgo biloba sieht und über ihn nachdenkt, projiziert in seine Existenz alles Bedeutsame hinein. Aus seinen Blättern und Früchten werden Heilmittel gegen Durchblutungsprobleme gewonnen. Im Sommer ist ein Exemplar seiner unvorstellbar alten, schädlingsresistenten Spezies am Gleisdreieck als Friedenssymbol gepflanzt worden. In Schöneberg haben schwule Aktivisten den Geheimnisumwitterten und in seiner geschlechtlichen Orientierung mal männlich, mal weiblich ausgerichten Baum dazu bestimmt, auf ihre eigene Daseinsberechtigung zu verweisen. In West New York (New Jersey) an der nordamerikanischen Ostküste erblickten Gläubige jüngst in einem angeblich kurzfristig aus dem Boden geschossenen Objekt dieser Gattung eine Heiligenerscheinung. Kaum zu glauben ist der historisch belegte Bericht, dass im August 1945 Ginkgo-Exemplare die nukleare Strahlung von Hiroshoma nahe dem Explosionszentrum aushielten – und trotz weitgehender Verkohlung neue Sprößlinge trieben.

Die bronzene Gedenktafel für dieses außergewöhnliche Geschöpf wurde 1989, quadratmetergroß, auf einem Marmorsockel befestigt und damit – anlässlich der Pflanzung dreier solcher Gesellen – auf den Breitscheid-Platz an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche gestellt. Jene drei Bäume hatte der scheidende Landesvater Richard von Weizsäcker Mitte der 1980er Jahre seiner Stadt zum Abschied geschenkt. Die sagenhafte Aura, wie sie solchen Exoten anhaftet, hat seit geraumer Zeit allerdings nichts mehr mit Raritiät zu tun. Über anderthalbtausend Ginkgos gibt es mittlerweile in Berlin. Dabei kam die Spezies vor knapp zweihundert Jahren, als Goethe ihr 1815 am Heidelberger Schloss erstmals ergriffen gegenüberstand, europaweit kaum noch vor. Die Faszination ihrer vorzeitlichen Herkunft und das Flair ihrer ewigen Überlebens-Botschaft hat Forscher, Gartenfreunde und Esoteriker landauf landab zur erfolgreichen Nachzüchtung animiert.

Zu finden ist die Gedenktafel dieses archaischen Boten mit ältestem Erbgut leicht, aber im derzeit chaotischen Umfeld rund um die Gedächtniskirche kaum zu verstehen. Seine einzigartig gespaltenen Blätter sieht man auf der Platte abgebildet, neben dem Aufruf Ben Wagins, Baumpate zu werden. Darüber stehen die Zeilen des ergriffenen Goethe, der sich seinerzeit botanisch angeregt fühlte, über „Ich“ und „Du“ und multiple Identität zu philosophieren. Vor der Tafel ragt ein Bauzaun. Dahinter Container. Über den Platz führen silberne Entlüftungsrohre. Ein paar Meter weiter parken provisorisch Verbrennungsmotoren mit Rädern. Eine Spezies, die schon soviel (s.o.) durchgestanden hat, wird selbst Berlins Stadt-Verschönerungsplanung, weitere Berliner Baustellen und Berlins sonstige Platzvermüllungs-Evente Anno 2013 überdauern - das dürfen wir hoffen.

Die nächste Folge von Schauplatz Berlin erscheint am kommenden Sonntag im gedruckten Tagesspiegel

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