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Schauplatz Berlin (Rätsel 10): Jugendfrischer Greis

Fast an jeder Ecke in Berlin hängt eine Gedenktafel, 2820 sind es insgesamt. Der Tagesspiegel bietet jede Woche ein Gedenktafel-Rätsel. Sie, liebe Leserinnen und Leser, dürfen jeweils herausfinden, ob Sie den Ort, die Person beziehungsweise das Ereignis kennen. Rätseln Sie mit bei Folge 10!

Noch im letzten Lebensjahrzehnt wirkt dieser Mann verblüffend frisch und gibt, wie man in seiner Familie formuliert, „Zeugnisse einer wunderbaren Jungfräulichkeit des Lebensgefühls und der Weltanschauung“. Wenn er im Nebenzimmer mit neuen Klaviernoten kämpft, lässt sein Sohn gern die Besucher das Alter des Musikanten schätzen, als Antwort kommt die Vermutung: „Der muss jung und feurig sein.“ Papa selbst verkündet „Das Alter ist die Jugend des Lebens.“ 82-jährig bricht er, begleitet von seinem Sohn, mit einem Dampfer, an dessen Konstruktion dieser beteiligt war, in die Neue Welt auf, genießt die Überfahrt wie Bolle, lässt sich in New York von reizenden Amerikanerinnen abküssen und kehrt kurz vor Kriegsausbruch aus dem „grandiosen Verjüngungs-Tiegel“ nach Hause zurück. Die Begegnung mit einer einer Jugendliebe, zwei Jahre vor seinem Tod, verstört ihn allerdings: „Ist ja ein ganz altes Mütterchen geworden.“

Gelungen sind dem geborenen Schlesier viele Projekte, bei denen es um die Vermessung der Welt geht, aber sein Friedens-Engagement, das sich gleichermaßen gegen Nationalismus richtet, macht ihn im Establishment unbeliebt – ohne den Ausbruch der Waffengewalt stoppen zu können. Scheitern wird auch sein völkerverbindender Versuch, Kirchen in Ost und West, trotz unterschiedlicher Kalendertradition, bei der Fixierung ihres mobilen höchsten Festes auf einen gemeinsamen Termin einzuschwören. Obgleich dem „antimetaphysischen“ Professor wegen seiner Nähe zu Freidenkern Atheismus unterstellt wird, verhandelt er 15 Jahre lang mit vatikanischen und ostkirchlichen Gelehrten, preußischen Behörden, Kirchenführern in Bulgarien und dem dortigen Zaren, Bischöfen und Wirtschaftsführern in Deutschland.

Das Backsteinhaus, an dem – vom Vorgartenzaun aus gerade noch zu entziffern – seine Gedenktafel hängt, wurde mehrfach aufgestockt. Dieser Tage dürfte er einen runden Geburtstag feiern, wenn er noch lebte; doch so alt ist nicht mal er geworden!

Wer war’s? Die Auflösung finden Sie hier.

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