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Schauplatz BERLIN Wer?  Wo? Wann? – Das Tafelrätsel: Die Reinmachefrau

Woher hat sie so klar gewusst, wer die Guten, wer die Bösen sind? Was gab ihr die Energie, so gegen den Strom zu handeln?

Woher hat sie so klar gewusst, wer die Guten, wer die Bösen sind? Was gab ihr die Energie, so gegen den Strom zu handeln? Religion ist eher nicht ihr Kompass gewesen. KPD-Mitglied war sie, trotzdem trägt im Berliner Norden ein katholisches Heim für Jugendliche ihren Namen. Das Haus, das sie damals in einem anderen Teil der Stadt, in einem Arbeiterviertel, bewohnte, steht heute nicht mehr. Am Nachfolgebau, einem gelb und blau verputzten Mietshaus, hängt seit 1987 ihre Gedenktafel: eine Kupferplatte mit ihrem Porträtrelief. Rundum Mietskästen, mit und ohne Balkon. Schräg gegenüber eine neugotische Backsteinkirche vom Ende des 19. Jahrhunderts. Vor der Fassade zwei Statuen – eine Prophetin mit Buch, ein Greis mit einem Säugling.

Wenige Fakten über sie sind bekannt. Mit Putzen und Waschen hat die Alleinerziehende ihre beiden Kinder und sich durchgebracht. Im Frühjahr 1933 wird sie zweimal verhaftet und in der belebten Umgebung eines kleinen Wochenmarktes zu einem Kasernenkomplex transportiert, der bis dahin zeitweise als Offiziercasino und Militärverwaltungsamt genutzt worden war. Jetzt dienen die Keller des Gebäudes der SA-Feldpolizei als Gefängnis, Verhöre finden im Erdgeschoss statt. Sie wird gefoltert. 1936 schicken ihre Genossen sie nach Prag. Bei lebensgefährlichen Kurierfahrten für das Exilkomitee der deutschen Kommunisten transportiert sie Infomaterial zur Widerlegung der NS-Propaganda, überquert vierzigmal die Grenze ins „Dritte Reich“. Als die Tschechoslowakei besetzt wird, flieht sie nach England, wird von den Behörden als „enemy alien“ auf einer Insel in der Irischen See interniert. In diesem Lager sind britisch-faschistische Antisemiten mit deutschen Politaktivisten und jüdischen Emigranten zu Tausenden zusammengesperrt. Man versucht, irgendwie, sich die angespannte Zwangsgemeinschaft durch Kulturprogramme und Selbstverwaltung erträglich zu gestalten.

Aber was passiert währenddessen im Land der nationalsozialistischen Erziehungsprogramme mit ihren Kindern? Nach zwei Jahren darf sie das Internierungscamp verlassen, engagiert sich nun in Exilorganisationen. Keine Chance, persönliche Nachrichten aus der Heimat zu erhalten. Weitere Weltkriegsjahre vergehen. Die beantragte Rückreisegenehmigung nach Berlin ist noch nicht bei ihr angekommen, als sie 1946 in London stirbt. Herzinfarkt. Thomas Lackmann

Wer war’s? Wo hängt ihre Tafel? Lösung auf Seite 13 dieser Zeitung.

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