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Was macht die Familie?: Schiffe abwracken

Wie ein Vaterdie Stadt erleben kann.

Weihnachten ist durch, der Kindergarten hat noch zu, und Lina soll wie alle Zweijährigen täglich raus. Also sind Highlights jenseits der Wohnung gefragt.

Mein aktuellster Erfolg war eine Bootsfahrt. Gut, ich habe dahergeredet wie ein Kreuzfahrtkatalog, obwohl es sich nur um die dreiminütige Spreequerung auf einem rostigen Kahn im Auftrag der BVG handelte. „Guck mal Papa: Luftballons!“, rief Lina, als sie die Bläschen zwischen den grau angelaufenen Fensterscheiben der Fähre sah. Die Fenster und Deckenlampen meine ich aus längst verblichenen Straßenbahnen zu kennen. Die ganze Fähre sieht aus, als wäre sie in sozialistischer Nachbarschaftshilfe entstanden: Das Lenkrad von einem Trabi, der Schemel für den, nun ja, Kapitän wohl vom Sperrmüll, die Sprelacart-Wände dürften im Möbelkombinat übrig geblieben sein. Seit der Wende kamen nur ein Fahrscheinstempler, ein Gitter für den Ein- und Ausgang, ein Radar sowie Warn- und Mahnschilder („Hier nur Fahrräder!“ / „Fahrausweise sind unaufgefordert vorzuzeigen!“) hinzu.

„Was donnert da?“, fragte Lina, als der Käpt’n zum Anlegen den Diesel im Rückwärtsgang dröhnen ließ. Verträumt betrachtete sie den Strudel hinter der Schiffsschraube, während sie auf der blauen Kunststoffsitzbank kniete. Dann fuhren wir zurück. Ich hatte Mühe, Lina wieder von Bord zu locken. Sie wird sich wundern, wenn wir nach dem Jahreswechsel wieder zur See fahren. Stefan Jacobs

Nur noch bis Dienstag sind die alten Dieselfähren auf den BVG-Linien F 11 (Baumschulenstraße–Wilhelmstrand, Spree) und F 12 (Wassersportallee–Müggelbergallee, Dahme) im Einsatz. Ab 1. Januar fahren elektrische Schiffe ohne Luftballons und Donner.

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