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Berlin: Schlappe für den Senat: Böger wird radikalen Lehrer nicht los Naziverbrechen relativiert? Verwaltung ermittelt zwei Jahre und lädt fünfzig Mal Zeugen vor – ohne Erfolg

Ein Disziplinarverfahren wird zur Posse: Zwei Jahre ist es nun her, dass der Steglitzer Lehrer Karl-Heinz S. suspendiert wurde.

Ein Disziplinarverfahren wird zur Posse: Zwei Jahre ist es nun her, dass der Steglitzer Lehrer Karl-Heinz S. suspendiert wurde. Der Vorwurf: Rechtsradikale Gesinnung. Inzwischen wurden 50 Mal Zeugen vernommen. Doch der Bildungsverwaltung ist es offenbar nicht gelungen, die Vorwürfe gegen den Beamten zu erhärten. Jetzt scheiterte der Versuch, ihn mittels Amtsarzt für psychisch gestört erklären zu lassen und auf diese Weise in den Ruhestand zu versetzen. Denn S. lehnt eine derartige medizinische Untersuchung ab.

An sich sind Staatsdiener verpflichtet, sich auf Aufforderung zum Amtsarzt zu begeben. Hierzu müssen allerdings sachliche Gründe vorliegen. Torsten Hippe, der Anwalt von Karl-Heinz S., geht jedoch davon aus, dass es solche Gründe eben nicht gibt. Er vermutet, dass S. für dienstunfähig erklärt werden soll, da es über den Disziplinarweg nicht klappt, ihn aus der Schule zu verbannen. Deshalb legte Hippe Widerspruch ein, der allerdings vor wenigen Tagen von der Senatsverwaltung abgelehnt wurde. Nun klagt Hippe vor dem Verwaltungsgericht und geht davon aus, dass es bis zu einer Entscheidung wohl zweieinhalb Jahre dauern könne.

Somit ist die Bildungsverwaltung darauf angewiesen, S. auf andere Weise loszuwerden. Denn die Rückkehr des Studienrates an das Gymnasium Steglitz wäre für Bildungssenator Klaus Böger (SPD) eine Schlappe: Er hatte unter dem Druck von Elternprotesten im November 2000 die Suspendierung des Beamten betrieben. Seither sitzt S. bei vollen Bezügen zu Hause und beschäftigt mehrere Juristen.

Eine Elterninitiative um den Charité-Mediziner Eckart Frantz und Moderator Günter Jauch, deren Kinder die Schule besuchen, warf S. vor, in seinem Buch über die Wehrmachtsausstellung Naziverbrechen zu relativieren. Darin schreibt er, dass die Erschießungen von Hunderten von Geiseln vom Kriegsrecht gedeckt gewesen seien. Außerdem wurden Beispiele für „rassistische und frauenfeindliche“ Entgleisungen genannt. Eckart Frantz hielt S. auch vor, „Zweideutigkeiten zu platzieren, um Rechtsradikalismus salonfähig zu machen“. Die Vorwürfe wurden in einer Klageschrift gesammelt, bevor im Mai 2001 das Disziplinarverfahren begann. Seither ist die Verwaltung damit beschäftigt, Vorwürfe mittels Zeugenaussagen zu erhärten. Allerdings sind S. und sein Anwalt bei Vernehmungen dabei. Die beiden versuchen – offenbar mit Erfolg –, die Glaubwürdigkeit der Zeugen infrage zu stellen.

Eckart Frantz hält es für einen Fehler, dass die Bildungsverwaltung sich auf Zeugenbefragungen eingelassen hat. Er ist überzeugt, dass allein das Wehrmachtsbuch ausreichen würde, um S. aus dem Dienst zu entfernen. Aber auch das ist nicht klar. Zwar gibt es ein Gutachten des Münchner Instituts für Zeitgeschichte, das für S. laut Anwalt Hippe „katastrophal“ ausgefallen ist. Es wurde vom Schulsenator beauftragt und im Rahmen des Disziplinarverfahrens vorgestellt. Laut Hippe hielte dieses Gutachten aber vor keinem Gericht stand. Es sei ungenau und tendenziös. Deshalb würden weiter Zeugen gehört. Eckart Frantz wirft der Verwaltung „Dilettantismus“ bei der Verfahrensführung vor.

Das Verfahren verzögert sich weiter und es wird „ordentlich Geld verballert“, resümiert Hippe.

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