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Berlin: Schloss Britz: Die letzten Himbeeren sind gepflückt

Nur wenige Spaziergänger ergehen sich dieser Tage im Park von Schloss Britz. Verwaist und verregnet stehen die weißen Bänke und die Gartenmöbel vor der "Beletage" des Schlösschens.

Nur wenige Spaziergänger ergehen sich dieser Tage im Park von Schloss Britz. Verwaist und verregnet stehen die weißen Bänke und die Gartenmöbel vor der "Beletage" des Schlösschens. Auf der fast samtenen Rasenfläche sprudelt der Springbrunnen glitzernde Fontänen in den trüben Berliner Himmel. Mediterrane Leichtigkeit bringen allenfalls die im Park verstreut stehenden Kübelpalmen. Noch sind die Säulen der Schlossterrasse von der Pfeifenwinde dick mit Blattwerk umwickelt, und fast alle Büsche und Bäume tragen noch ihr grünes Kleid - der Abschied vom Sommer und seiner bunten Pracht beginnt hier gerade erst. Nur seitlich am Schlösschen, dort, wo sich Begonien in einem Rundbeet in üppiger Farbschönheit präsentieren, grüßt der Herbst schon mal mit dunkelrotem Wein.

Wie um die Wette scheinen die Fleißigen Lieschen in den Rabatten zu blühen, und am Strauch der amerikanischen Himbeere leuchtet sogar noch eine einzelne rosa Blüte. Die dunkelroten, saftigen Früchte findet man nicht mehr. "Die letzten Himbeeren hat ein Stammbesucher vor ein paar Tagen gepflückt", sagt Regina Stephan, Leiterin von Schloss Britz.

Eine Parkbewohnerin ist an diesem Nachmittag besonders traurig - das "Milchmädchen". Am Rand eines Parkwegs weint die bronzene Schöne über ihren zerbrochenen Milchkrug. Das macht sie dort seit September 1998 - da kam die 1807 vom Bildhauer Paul Petrowitsch Sokolow geschaffene Skulptur "Das Milchmädchen" aus Zarskoje Selo bei St. Petersburg als Kopie nach Britz. Auch als "Meilenstein der Freundschaft" - Schloss Britz kooperiert seit 1989 mit dem ehemaligen Zarenhof.

Das aktuelle Kunsterlebnis, das man im Schloss genießen kann, kommt nicht aus Russland. Ein Berliner Sammler zeigt hier bis zum 18. November seine Schätze: "Lithophanien - Die Welt des Biedermeier im Porzellanbild". Die "Lichtschirmbilder" aus feinstem Biskuitporzellan sind eine französische Erfindung, die ab 1828 von der Königlich Preußischen Porzellanmanufaktur weiterentwickelt wurden.

Lithophanien (griech. = durchscheinender Stein) wirken wie eine feine Grafik. Im Biedermeier gehörten die porzellanenen Zauberplatten, die erst lichtdurchflutet ihren Inhalt verraten, zur Wohnkultur: als Fensterbilder, Nacht- oder Hängelampen, Stövchen oder Tassen. Motive waren Landschaften, Stadtansichten, Porträts, Kinder- und Familienszenen - auch Religiöses und - man sehe und staune, was das biedermeierliche Bildungsbürgertum noch so entzückte - erotisch Eindeutiges. Letzteres ist - wohl wegen eventuell mitgebrachter Kinder - in der Ausstellung etwas versteckt. Der Ganter allerdings, der zum Erstaunen der Besucher wollüstig eine Henne attackiert, gehört nicht zur ausgestellten "Welt des Biedermeier im Porzellanbild", sondern zum Federvieh von Schloss Britz - im ländlichen Gutshof gleich nebenan.

Heidemarie Mazuhn

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