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Schlüsselübergabe für Potsdamer Landtagsschloss: Haus der Demokratie ohne Parlamentarier

Ein Parlament, das ohne Parlamentarier eröffnet wird, und ein Schlüssel, der kein Schlüssel ist: Als Brandenburgs Finanzminister Helmuth Markov am Donnerstag den neuen Landtagssitz offiziell übergeben bekam, ging es durchaus kurios zu.

Der Schlüssel für das neue Landtagsschloss, der am Donnerstag feierlich übergeben wurde, war eigentlich gar keiner. Stattdessen bekam Landtagspräsident Gunter Fritsch (SPD) einen überdimensionalen Transponder gereicht – passend zu dem modernen Inneren des Gebäudes. „Die Zeiten haben sich schließlich geändert“, sagte der Chef des Bauträgers BAM, Alexander Naujoks. Und tatsächlich – zum barocken Äußeren hätte vielleicht ein schnörkeliger Goldschlüssel gepasst, zur schlichten und technisch ausgeklügelten Innenausstattung aber nicht.

Mit der symbolischen Schlüssel- oder Transponderübergabe ist das Gebäude also in der Hand seiner neuen Nutzer, der Abgeordneten. Nun können die Büros eingerichtet, die Sitzungssäle ausprobiert und die Eröffnung im Januar vorbereitet werden. Dann sollen auch wieder die Potsdamer Bürger eingeladen werden – am gestrigen Donnerstag war die Öffentlichkeit nicht erwünscht.

Einige Potsdamer kamen dennoch zum Schloss und mogelten sich mit der Masse an Politikern, BAM-Mitarbeitern und Journalisten in den neuen Landtag, strenge Kontrollen gab es keine. Sogar drei der etwa zwölf Demonstranten gegen hohe Mietpreise, die sich vor dem Fortunaportal aufgestellt hatten, durften hinein – aber ohne Schilder. „Demokraten bauen sich kein Schloss“, stand auf diesen, oder „Krieg den Hütten, Schlösser für alle!“

„Es sieht aus wie ein Schloss, ist aber keines“

Im Inneren wurde Landtagspräsident Fritsch nicht müde, sein oft wiederholtes Mantra zu sprechen: „Es sieht aus wie ein Schloss, ist aber keines.“ Verewigt wird dies ab dem heutigen Freitag, wenn der Schriftzug der Künstlerin Annette Paul an der Fassade angebracht wird: „Ceci n’est pas un chateau“ – „Dies ist kein Schloss“. Wenn überhaupt ein Schloss, dann sei es ein Landtagsschloss, sagte Fritsch. Und es soll offen sein für die Bürger. Nicht nur, dass der Innenhof frei zugänglich sein wird, der Parlamentspräsident kann sich gut Sommerkonzerte dort vorstellen. Zudem sei das Landtagsrestaurant im Dachgeschoss samt Dachterrasse öffentlich.

Die offiziellen Worte bei der Schlüsselübergabe im Knobelsdorff’schen Treppenhaus waren schnell gesprochen: BAM-Chef Naujoks wünschte den Parlamentariern „weise Entscheidungen“, Brandenburgs Finanzminister und Bauherr des Gebäudes, Helmuth Markov (Linke), freute sich, dass das Landtagsschloss nicht erst 2014 übergeben wurde und Fritsch lobte den „lichten, weiten und großzügigen Plenarsaal“. Dann übergab Naujoks den Riesen-Transponder an Markov und Fritsch. Damit war der offizielle Teil vollbracht, im Foyer wurden Brezen von jungen Damen in Tracht verteilt, zum Anstoßen gab es aber nichts.

Eigentlich sollte die Veranstaltung damit zu Ende sein, doch die rund 100 Gäste waren neugierig und strömten zum Plenarsaal. Erst nach dem Hinweis eines Journalisten wurde dieser aufgesperrt, und die Neugierigen gingen in den eindrucksvollen Saal mit seiner großen Kuppel. Schnell bildete sich eine Traube um Architekt Peter Kulka, der sein Werk noch einmal erklärte. So mancher probierte die roten Drehstühle für die Abgeordneten aus.

Parlamentarier gar nicht eingeladen

Wer allerdings fehlte, waren die Parlamentarier selbst, was bei einigen zu Verwunderung führte. „Das soll ein Haus der Demokratie werden, deshalb hätte ich mir gewünscht, dass auch die Parlamentarier dabei sind“, sagte der Potsdamer Stadtverordnete Sascha Krämer. Auch die Landtagsopposition fühlte sich von Fritsch nicht ernst genommen, weil sie, ebenso wie die Abgeordneten aus dem Regierungslager, nicht offiziell zur Schlüsselübergabe eingeladen war. Tatsächlich gab es nur eine E-Mail mit einer Presseeinladung zur Kenntnis. „Das ist offenbar der besondere brandenburgische Stil“, sagte CDU-Fraktionschef Dieter Dombrowski. „Ich hätte mich gefreut, als Mitglied des Parlaments dabei zu sein.“ FDP-Fraktionschef Andreas Büttner sprach von einer Unverschämtheit. „Wir sind das Parlament, der Gesetzgeber“, sagte er. SPD und Linke dagegen hatten kein Problem damit. Hans-Jürgen Scharfenberg, der nicht nur Chef der Potsdamer Linksfraktion, sondern auch Landtagsabgeordneter ist, verwies darauf, dass die Abgeordneten den Landtag bereits bei einem Rundgang vor einigen Wochen besichtigen durften. Er ist ohnehin gut beschäftigt: Bis Dezember muss er wie alle Abgeordneten sein Büro auf dem Brauhausberg leer geräumt haben. In fast 20 Jahren habe sich da einiges angesammelt, sagt Scharfenberg.

Anfang kommender Woche werden die ersten Möbel für die fast 400 Büros geliefert, in die neben Parlamentariern und Mitarbeitern auch der Landesrechnungshof einzieht. Dieser bleibt so lange in dem Gebäude, bis es möglicherweise doch noch zu einer Länderfusion mit Berlin kommt – was für Brandenburgs Politik aber im Moment kein Thema ist. Entsprechend gelassen ist Landesrechnungshofpräsident Christoph Weiser: „Meine Amtszeit geht bis 2024 – ich glaube nicht, dass wir davor ausziehen müssen.“ Landtagspräsident Fritsch denkt da in größeren Zeiträumen: „Schlösser stehen üblicherweise 400 oder 500 Jahre, in der Zeit sollten wir die Fusion hinbekommen.“ (mit axf)

Katharina Wiechers

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