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Schmerzensgeld: Auf Stolperstrecke gestürzt – Bezirk muss zahlen

Eine Rentnerin verlangte Schmerzensgeld nach einem schwerem Unfall. Sie musste bis zum Bundesgerichtshof klagen, um Recht zu bekommen. Vom Bezirksamt war am Freitag noch keine Stellungnahme mehr zu erhalten.

Erst ist eine Rentnerin schwer gestürzt – und im anschließenden Rechtsstreit ist jetzt das Land auf die Nase gefallen. Denn die Frau hatte auf Schadensersatz und Schmerzensgeld geklagt, nachdem sie am Vormittag des 24. Septembers 2009 auf einem völlig maroden Pankower Gehweg mit dem Schuh in einem Loch hängen geblieben war. Beim Sturz erlitt die damals 70-Jährige schwere Gesichtsverletzungen, Prellungen und verstauchte sich das rechte Handgelenk.

Zunächst gewann die Frau vor dem Landgericht, das ihr lediglich ein zehnprozentiges Mitverschulden anrechnete. Die Verwaltung ging in Berufung, scheiterte vor dem Kammergericht erneut – und zog schließlich vor den Bundesgerichtshof. Dessen am Freitag veröffentlichtes Urteil ist eine vernichtende Niederlage für die Juristen der Verwaltung – und möglicherweise ein Präzedenzfall, der die Bezirke vor die Wahl stellt, marode Gehwege sanieren zu lassen oder sich auf weitere Schadensersatzansprüche wegen grober Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht gefasst zu machen.

Im konkreten Fall ging es um die Querung einer Hauptverkehrsstraße mit getrennten Fahrtrichtungen. Die aus Vorwendezeiten stammenden Betonplatten auf dem Mittelstreifen seien derart kaputt, dass es jeder sehen müsse, argumentierten die Verwaltungsjuristen. Die Richter kehrten die Logik um: Derart gravierende Schäden seien für den Durchschnittsbürger nicht mehr beherrschbar und ein Unglück folglich nur eine Frage der Zeit, zumal die Querung der Straße zusätzliche Aufmerksamkeit erfordere. Auch das Argument, die Frau hätte den Weg nicht benutzen müssen, zog nicht: Dann müsse das Land ihn sperren, befand das Gericht. Ansonsten sei die Verkehrssicherungspflicht im Berliner Straßengesetz klar geregelt. Für ebenso untauglich hielten die Richter den pauschalen Verweis auf die öffentliche Finanznot, der nicht einmal ansatzweise präzisiert worden sei. In der Berufungsbegründung habe die Verwaltung selbst erklärt, ihr sei die Notwendigkeit einer „Grundinstandsetzung zum frühestmöglichen Zeitpunkt“ klar gewesen. Das passt aus Sicht des Gerichts allerdings nicht mit der jahrelangen Untätigkeit zusammen.

Nach Auskunft der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hat das Bezirksamt Pankow die Klage in eigener Regie betrieben; der Senat sei nicht beteiligt. Vom Bezirksamt war am Freitag keine Stellungnahme mehr zu erhalten. Die Verkehrssicherungspflicht ist Aufgabe der bezirklichen Tiefbauämter.

Beim Fachverband FUSS e.V. wurde das Urteil am Freitag für „einzigartig“ befunden: Bisher habe sich die Kommune erfahrungsgemäß mit einer Ausschilderung von Gehwegschäden aus der Affäre ziehen können.

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