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Berlin: Schmuck unterm Stuck

Heide Hagen ist Goldschmiedin – eigentlich. Und Restauratorin und Innenausstatterin und Köchin...

Von Susanne Leimstoll

Mit 17 sah sie ein Schmuckstück aus dem Grünen Gewölbe in Dresden: ein Foto von einem massiven Diamanthalsband. So was wollte sie auch haben, da musste sie Goldschmiedin werden. Also: Gymnasium in der 12. Klasse geschmissen, Ausbildung an der Fachhochschule bei Kaufbeuren, danach zwei Jahre Praxis in einer Schmuckwerkstatt. Die Akademie der Bildenden Künste in München nahm sie 1980 auf Anhieb. „Es gab 100 Bewerbungen und nur zwei Plätze. Das war der größte Erfolg meines Lebens“, sagt Heide Hagen. Und dann die Ehre, von Professor Hermann Jünger, einem der international renommiertesten Schmuckdesigner, in die Meisterklasse berufen zu werden und später für ihn in seiner Werkstatt zu arbeiten. Jünger, ihr Mentor. „Ich denke, er hat mein Talent erkannt“, sagt Heide Hagen. Punkt.

Sie sitzt am Küchentisch, selbstbewusst. Die Zigarette qualmt zwischen den Fingern. Klein, drall, die langen, blonden Locken zusammengewuschelt überm Puttengesicht. Sternbild Löwe, na logisch. Eine Frau als Mittelpunkt ihres persönlichen Gesamtkunstwerks, der von ihr sanierten Altbauwohnung. Heides Gewölbe. Erdfarben gewischte Wände unter bildschön freigelegten Jugendstilornamenten in flachem Decken- stuck. Die Arbeitsplatte in der Küche führt in weichem Schwung ums Eck, auf dem schmalen, dunkel abgesetzten Wandfries schwimmen goldene Fische. In der Mitte kein Wohnzimmer, sondern ein Showroom, beherrscht von Lampen mit Kelch. An der Decke ein neunarmiger Leuchter, Lilienblüten aus Silber, von Blattwerk umrankt. Auf patinierten Messingplatten an den Wänden haften die Schmuckstücke an Magneten: Rosenohrringe, zwei Finger dicke Blütenketten. Vorm dreiteiligen Fenster tischt sie auf einem Bord ganz groß auf: über einer Büste ein Halsband mit goldenen Rosen, auf Samt in müdem Türkis eines mit weinroten, langen Blättern, ganz filigran diesmal. Zur Werkstatt öffnet sich eine Flügeltür. Am Goldschmiedetisch aus massiver Buche arbeitet sie mit Fräsaufsätzen, Feilen, Zangen, Lötanlage, Chemikalien. Weiter hinten im länglichen Raum steht die Walze, die Blech und Draht plättet, daneben eine Mini-Drehbank. Auf dem Marmortisch liegen rote Dichtungsringe, an der Wand hängt eine Kette aus Winkeln. „Aus dem Baumarkt“, sagt Heide Hagen. „Abgesägt, blattvergoldet.“ Bloß nichts Normales. Die Drehgriffe an den Wasserhähnen sind Messingblumen. Auf der Toilette suchen nur Nichtbahnfahrer nach der Mischbatterie: Der Wasserstrahl kommt aus der Mitte des Beckens, wenn man denn die Fußpumpe am Boden findet. Selber ausgedacht, selber montiert. „ Ich wollte immer alles selber herstellen, weil ich nie das gefunden habe, was ich wollte“, sagt Heide Hagen. Mit acht hat sie Kochen gelernt, mit dreizehn ihre Klamotten genäht. Sie hat Leisten gefertigt und sich an Schuhen probiert. Sie legt Wasserleitungen und verputzt Wände. „Mir erzählt kein Handwerker was “, sagt sie, tippt sich an den Kopf und ergänzt, die Augen schmal: „Ich kapiere die Technik hinter dem Problem.“ Sie wäre auch gerne Innenarchitektin geworden, sagt sie. „Eigentlich habe ich den falschen Beruf.“

Weswegen die Goldschmiedin Heide Hagen nicht nur Räume ausstattet, sondern auch Baustellen koordiniert – derzeit etwa für ein Restaurierungsprojekt im Rheinland. Oder sie richtet ein Münchener Büro ein: Edelstahl vor Sichtbeton, hell furnierte Schränke und Eiche, klare Linien, mal nichts Verspieltes. Sie kann nämlich auch anders.

„Ich bin ja in erster Linie Dekorateur“ sagt die Mutter zweier Söhne. Oder: „Du, ich weiß, wie du für eine Party ganz schnell ein Büfett mit leckeren Sachen machst, die super aufwendig aussehen.“ Ach, das kann sie auch noch.

Heide Hagen, Friedelstr. 28, Kreuzberg, Tel. 61 34 04 0 (www.heidezign.com)

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