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Berlin: Schnelle Hilfe: Spezialisten in den Polizeidirektionen kümmern sich um Verbrechensopfer

Als Martina Linke nach einem Termin in ihr Büro zurückkommt, liegt bereits ein neues Telex auf dem Schreibtisch. Eine ältere Frau ist überfallen und beraubt worden, nachdem sie Geld abgehoben hatte.

Als Martina Linke nach einem Termin in ihr Büro zurückkommt, liegt bereits ein neues Telex auf dem Schreibtisch. Eine ältere Frau ist überfallen und beraubt worden, nachdem sie Geld abgehoben hatte. Martina Linke ist Kriminalhauptkommissarin und Opferschutzbeauftragte der Polizeidirektion 1 in Wedding. Ihre Aufgabe besteht darin, Kriminalitätsopfern helfend und beratend zur Seite zu stehen. In erster Linie sind es Opfer von Gewalttaten, die schwer verletzt wurden, starke seelische Schäden erlitten haben oder durch die Tat in eine plötzliche Notlage geraten sind.

Sie werden der Opferschutzbeauftragten von den Sachbearbeitern gemeldet, wenn diese den Eindruck haben, dass Soforthilfe nötig sei, da die üblichen Hilfsangebote durch Sozialämter, Versicherungen oder freie Opferverbände nicht rechtzeitig greifen würden. Rund 50 bis 100 Fälle kommen pro Jahr allein bei der Kriminalbeamtin in der Pankstraße zusammen.

Die alte Dame - ihr jüngster Fall - hat bei dem Überfall mehrere Knochenbrüche erlitten. Noch ist unklar, ob eventuell auch Ausweispapiere und Schlüssel geraubt wurden. Dies wird Martina Linke nun zunächst klären und nötigenfalls die Wohnung sichern lassen, bis ein neues Türschloss eingebaut ist. Wenn die Frau im Krankenhaus wieder ansprechbar ist, wird die Polizistin sie aufsuchen und feststellen, ob sie eventuell Unterstützung von Versorgungsämtern benötigt und ihr bei den notwendigen Anträgen helfen. Ist sofort Bargeld nötig, wird sie sich an den bundesweit tätigen Opferhilfeverein "Weißer Ring" wenden.

Gerade in der Polizeiausbildung werde die "Opferproblematik bisher zu wenig beachtet". Vieles hat auch Martina Linke erst durch ihre direkte Arbeit mit den Opfern von Straftaten gelernt. Etwa dass diese nach einer Tat nicht selten die Wohnung oder den Arbeitsplatz wechseln, um sich eine neue, von belastenden Erinnerungen freie Umgebung zu schaffen.

Außerdem hat sie feststellen müssen, dass polizeiliche Ratschläge an ältere Menschen häufig fehlgehen. "Wir raten ihnen beispielsweise, sich begleiten zu lassen, wenn sie Geld abholen oder wenigstens darauf zu achten, dass sie dabei nicht beobachtet werden. Aber sie fühlen sich durch solche Ratschläge beleidigt. Nicht mehr für voll genommen". Wie es anders gehen könnte, weiß auch die Weddinger Opferschutzbeauftragte noch nicht so recht. Aber eines ist ihr wichtig: "Wir dürfen den Opfern nicht das Gefühl geben, sie seien für die Tat indirekt mitverantwortlich".

Opferschutz ist in der täterorientierten Polizei eine noch relativ junge Einrichtung. Seit 1997 nimmt Martina Linke dieses Aufgabenfeld wahr. Bis auf die für Spandau und Charlottenburg zuständige Direktion 2 haben auch alle übrigen Direktionen inzwischen eine solche Betreuungsstelle eingerichtet. Von der Polizeiführung würden die Bedürfnisse von Kriminalitätsopfern gesehen und die Anstrengungen der bislang sechs Opferschutzbeauftragten deshalb unterstützt. Während die Stelle von Martina Linke zeitlich noch nicht befristet ist, gibt es im Polizeipräsidium auch Überlegungen, eine zweijährige Rotation einzuführen.

"Dass Berlin Vorreiter auf dem Gebiet der polizeilichen Opferhilfe ist, kann man nicht sagen", meint die Kriminalbeamtin Linke. Sie wünscht sich Verhältnisse wie in München. Im dortigen Polizeipräsidium wurde 1997 gleich ein ganzes Kommissariat "Opferschutz und Verhaltensprävention" eingerichtet. 14 Beamte tun dort Dienst, acht von ihnen (vier Männer, vier Frauen) sind ausschließlich mit der Opferbetreuung befasst. Rund 3.500 telefonische Beratungen und knapp 700 persönliche Hilfestellungen haben sie im letzten Jahr geleistet.

Otto Diederichs

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