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Berlin: Schneller als der Fahrplan erlaubt

Die Bahn fährt Tempo 230 zwischen Berlin und Hamburg. Der Sonderzug war überpünktlich, der reguläre verspätete sich eine Stunde

Die Bahn kann – wenn sie will. Und wenn sie muss. Und mit etwas Glück. Gestern hat sie nämlich einen Rekord aufgestellt: In eineinhalb Stunden sollte der Eröffnungszug auf der Schnellverbindung zwischen Hamburg und Berlin den Bahnhof Zoo erreichen. Doch Lokführer Heiko Thies drückte so aufs Tempo, dass das Ziel schon exakt in einer Stunde, 28 Minuten und 19 Sekunden erreicht war.

Für den 38-jährigen Thies war es fast Routine, denn auf anderen Strecken beschleunigt er Züge bis Tempo 250. Und doch musste Bahnchef Hartmut Mehdorn noch zittern. Fast 600 Gäste aus Politik und Wirtschaft hatte er an Bord des Sonderzuges, denen er die „neue“ Bahn zwischen beiden Städten vorführen wollte. Da kam die Meldung, dass es an dem ICE, der vor dem Sonderzug gestartet war, eine Panne gegeben hatte. Wegen einer „technischen Störung zwischen Oberleitung und Stromabnehmer“ musste der reguläre ICE seine Fahrt unterbrechen und den Mehdorn’schen Sonderzug vorbeirauschen lassen. Danach setzte der fahrplanmäßige Zug seine Fahrt fort, blieb dann wenig später aber endgültig liegen. Die Fahrgäste mussten schließlich in Ludwigslust in den nachfolgenden Zug umsteigen. So hatten die zahlenden Bahngäste am Tag der Rekordfahrt eine Verspätung von mehr als einer Stunde. Auch die folgenden Züge verspäteten sich meist um fünf Minuten.

Der Sonderzug kam durch. Er war vorher besonders gründlich geprüft worden. Allen Mitarbeitern bei der Bahn war klar: Auf dieser Fahrt darf nichts schief gehen. Und es klappte. Lokführer Heiko Thies erreichte zwischen den einstigen Grenzbahnhöfen Büchen und Schwanheide zum ersten Mal fast das vorgesehene Höchsttempo von 230 Stundenkilometern. Die Digitalanzeige blieb zwar bei 229 stehen und kletterte auch später nie höher, doch selbst das reichte zum Rekord. Mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 189 km/h ist die Strecke Berlin – Hamburg die schnellste Bahn-Verbindung zwischen zwei Städten. Planmäßig sollen die schnellsten Züge morgens und abends in jeder Richtung die 287 Kilometer lange Strecke in 90 Minuten zurücklegen.

Diese Zeit hatte die Bahn versprochen, als die Bundesregierung vor der Frage stand, ob sie zwischen beiden Großstädten eine Transrapid-Verbindung bauen oder diese Pläne aufgeben sollte. Die Magnetschnellbahn hätte rund eine Stunde für die Fahrt gebraucht. Mit 90 Minuten, das sind 36 Minuten weniger als bisher, war dann aber auch die klassische Bahn wieder konkurrenzfähig. Für rund 650 Millionen Euro wurde die Strecke dann für das höhere Tempo fit gemacht. Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) machte bei der Startfeier in Hamburg gestern noch einmal klar, dass er den Transrapid gerne zwischen beiden Städten gehabt hätte. Doch der Bund habe sich „den Zahlen beugen“ und auf den Boden der Realität zurückkehren müssen. Entstanden sei trotzdem eine schnelle Verbindung, die nun zu einem Baustein in einem transeuropäischen Bahnnetz werden müsse – mit schnellen Verbindungen von Berlin nach Leipzig, nach Warschau und nach Skandinavien.

Bis es so weit ist, kann die Bahn zeigen, wie Schnellverkehr zwischen zwei Städten aussehen kann – wenn alles klappt.

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