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Berlin: Schönere Häuser, steigende Mieten?

Urteil zu Sanierungsgebieten könnte den Wohnungsmarkt in Bewegung bringen – Reaktionen und ein Überblick

Die meisten leuchten vereinzelt als rote Inseln auf dem Berliner Stadtplan, doch in der östlichen City wird die Ausnahme zur Regel: Fast jeder Straßenzug zwischen Helmholtzplatz, Spandauer Vorstadt und Bötzowstraße gehört zu den Sanierungsgebieten der Stadt. Hier müssen sich die Mieter nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) jetzt auf höhere Mieten im Fall von Modernisierungen einstellen – was Mittes Baustadträtin heftig kritisiert. „Die Entscheidung begrüßen wir überhaupt nicht“, sagt Dorothee Dubrau (Grüne). Weil bereits jetzt viele Einwohner die Mieten nach einer Sanierung kaum noch bezahlen könnten, rechnet Dubrau zukünftig mit noch mehr leer stehenden Wohnungen „im teuren Segment“.

Kurz nach der Wende wurden in der Stadt 22 Sanierungsgebiete festgelegt, vorrangig im Ostteil der Stadt. „Durch die umfassende Sanierung der Gebiete soll sowohl die jeweilige bauliche als auch die Bewohnerstruktur erhalten bleiben“, heißt es bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Deshalb galten für diese Gebiete die so genannten Kappungsgrenzen. Sie zwangen den Hauseigentümer bislang, nur in begrenztem Maße die Kosten einer Sanierung auf die Mieter umzulegen. Das nun ergangene OVG-Urteil erlaubt es, die Preise so zu erhöhen, wie es der Berliner Mietspiegel vorsieht.

Auch Martin Federlein, Baustadtrat in Pankow, hätte sich ein anderes Urteil gewünscht, zeigt sich aber nicht überrascht. „Es war aus rechtlichen Gründen nichts anderes zu erwarten.“ Deshalb habe man sich in Pankow bereits vor der richterlichen Entscheidung für eine neue Strategie entschieden: Mit den Bauherren wird vor der Sanierung ein Vertrag abgeschlossen, der ihnen erlaubt, die Hälfte des sanierten Hauses entsprechend des Mietspiegels zu vergeben, die andere Hälfte aber günstiger. „Damit haben wir eine Mietdämpfung auf sechs Jahre erreicht“, sagt Federlein (CDU). Pankow nehme mit diesem Verfahren eine Vorreiterrolle ein – „und es funktioniert“.

Vorm OVG landete ein Fall aus Friedrichshain: Das Gericht hatte über den Fall einer Hauseigentümerin in der Rigaer Straße zu urteilen, die mehr als 100 000 Euro in die Sanierung ihres Altbaus investieren wollte. Das Bezirksamt hatte ihr zur Auflage gemacht, mit ihren Mietern Sanierungsvereinbarungen zu treffen und sich dabei an die vom Bezirk vorgegebene Mietobergrenze – rund vier Euro je Quadratmeter und Monat – zu halten. Weil sich die Sanierung dann aber nicht mehr rechnen würde, zog die Eigentümerin, wie andere Hausbesitzer auch, vor Gericht. Federlein: „Durch diese Verfahren sind viele Vorhaben zum Stillstand gekommen.“

Mit einem Sanierungsboom ist nach Angaben des Verbands Deutscher Makler jetzt nicht zu rechnen. Trotzdem nennt Vize-Präsident Michael Schick das Urteil überfällig: „Das gibt den Investoren mehr Luft – gut für uns und die Gebäudesubstanz.“ Die Klagen vieler Baustadträte kann Schick nicht nachvollziehen. Bei einem Leerstand von 130 000 Wohnungen in Berlin werde schließlich niemand mehr gezwungen, nach einer Sanierung ans andere Ende der Stadt zu ziehen. Außerdem gebe es in ganz Europa keine Metropole mit einem derart niedrigen Mietniveau – woran auch das jüngste Urteil des OVG nichts ändere. „Es gilt jetzt für die Sanierungsgebiete der normale Berliner Mietspiegel“, sagt Schick.

Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) ist sich nicht sicher, wie er die Entscheidung des OVG abschließend kommentieren will. Er wartet noch auf die schriftliche Begründung des Gerichts und hofft, darin eine Ausnahmeregelung, einen Schutz für alteingesessene Mieter, zu finden. „Zumindest in bestimmten Gebieten für befristete Zeit“, sagt Behördensprecherin Petra Reetz. Sonst würde das Urteil des OVG in den Kiezen zu einer abrupten Verdrängung von Bewohnern führen, die sich die höheren Mieten nicht leisten können. Reetz: „Und das würden wir sehr, sehr bedauern.“

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