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Berlin: Schraubenzieher-Attentäter verhaftet

Weitere Vorwürfe gegen 26-Jährigen: Er soll versucht haben, einen Jungen vom Balkon zu stürzen

Von Tanja Buntrock

und Jörn Hasselmann

Die Kripo hat am Dienstag Nachmittag den 26-Jährigen Holger W. in seiner Wohnung in der Ringslebenstraße festgenommen. Zuvor hatte ein Richter einen Haftbefehl gegen den „Schraubenzieher-Attentäter“ aus Neukölln erlassen. Der Mann hatte am Sonnabend ohne Anlass mehrere Kinder verfolgt, und dem 13-Jährigen Alexander S. mehrmals einen Schraubenzieher in Arm, Beine und Hüfte gerammt. Kurz danach war der 26-Jährige festgenommen worden. Nachdem ein Arzt abgelehnt hatte, den Mann in die Psychiatrie einzuweisen, ließ die Polizei Holger W. wieder laufen. Dies war in der Öffentlichkeit stark kritisiert worden.

Die Polizei hatte gestern nachträglich den Haftbefehl beantragt, nachdem dem Mann zwei weitere Taten nachgewiesen werden konnten. Nach Informationen des Tagesspiegels soll der Mann zu Jahresbeginn versucht haben, in seinem Wohnhaus einen 14-Jährigen vom Treppenhaus-Balkon im zweiten Stock zu stürzen. Nur die heftige Gegenwehr des Opfers und dessen Halbbruders verhinderten damals einen Sturz aus zehn Metern Höhe. Im Februar diesen Jahres soll der Neuköllner dann eine Zwölfjährige mit einer Holzlatte zweimal in die Nierengegend geschlagen haben. Diese Taten waren von den Eltern der Opfer nicht bei der Polizei angezeigt worden – wieso ist noch unklar, sagte der Leiter der Neuköllner Kriminalpolizei, Carsten Wendt. Beide Opfer sollen den verhaltensauffälligen Mann zuvor gehänselt haben. Möglicherweise hätten die Eltern deshalb auf eine Anzeige verzichtet.

Wegen der fehlenden Anzeigen und weil der mit dem Schraubenzieher verletzte Junge zunächst nur leicht verwundet wirkte, hatte die Polizei am Wochenende keinen Haftbefehl gegen Holger W. beantragt, sagte der Kriminaldirektor. Alexander sei am Sonnabend nach ambulanter Behandlung nach Hause gelassen worden. Erst am Sonntag, nachdem Blut im Urin des Jungen entdeckt wurde, stellte sich heraus, dass auch die Niere des Jungen verletzt ist. Seitdem liegt Alexander im Krankenhaus. Die Frage, warum der Schraubenzieher-Attentäter nach der psychiatrischen Untersuchung wieder freigelassen wurde, beschäftigte gestern auch die Behörden und Politiker. Der Rechtsexperte der Berliner CDU-Fraktion, Andreas Gram, bezeichnete es als „völlig unverständlich“, dass der Mann wieder frei herumläuft.

„Der übliche Weg wäre, den Mann vorläufig festzunehmen. Dies ist möglich bis zum Ablauf des nächsten Tages“, erklärte Generalstaatsanwalt Hansjürgen Karge. In dieser Zeit hätten die Beamten die Chance, weiter zu ermitteln und dann beim Staatsanwalt einen Haftbefehl zu beantragen. „Dies haben die Beamten aber nicht getan“, sagt Karge.

Probleme, gegen psychisch gestörte Täter vorgehen zu können, gibt es häufiger: Im Juli hatte der psychisch kranke Marc R. (37) in seiner Lichtenberger Wohnung den Pizzaboten Martin H. (19) als Geisel genommen: Er wollte damit erreichen, dass er in eine psychiatrische Klinik eingewiesen wird. Zunächst sah auch hier die Kripo keinen Anlass, den Mann einzuweisen. Die Tat galt als gezielt geplant, die Kripo hielt den Mann für voll schuldfähig. Doch der Bereitschaftsrichter, dem der Täter vorgeführt worden war, erließ zwar Haftbefehl, setzte diesen aber wieder außer Kraft. Der Täter kam also zunächst nicht in Untersuchungshaft. Erst nachdem die Beamten der Mordkommission versuchten, den zuständigen Bezirk Lichtenberg zu überzeugen, dass der Mann in die Klinik gehört, wies ein Arzt ihn in die geschlossene Psychiatrie ein.

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