zum Hauptinhalt
Heinz Buschkowsky im Gespräch mit Viktor und Leonie.

© Kitty Kleist-Heinrich

Schüler interviewen Bezirksbürgermeister: Buschkowsky: Auf die Kinder kommt es an

Wie durchlässig ist die Gesellschaft? Das fragten sich die Schüler Viktor und Leonie und haben deshalb Heinz Buschkowsky besucht. Der Neuköllner Bürgermeister sprach mit ihnen über Integrationspolitik und beantwortete Fragen, die sie gar nicht stellten.

„Herr Buschkowsky, …“ versuche ich anzusetzen. Heinz Buschkowsky hat aber schon längst angefangen zu erzählen. Er holt weit aus, bis in seine Kindheit, was zugegebenermaßen eine Weile her ist, auch wenn man ihm sein tatsächliches Alter nicht so recht ansieht. Und während Neuköllns Bürgermeister noch redet, erkläre ich mal kurz, warum wir überhaupt in seinem Büro sitzen: Zu Buschkowsky ins Büro hat Leonie und mich die letzte Redaktionssitzung gebracht. Da hat sich uns die Frage gestellt, wie Politiker sinnvolle soziale Programme für eine Unterschicht entwerfen können, von der sie selbst als Akademiker ziemlich weit weg sind, und Buschkowsky ist nun gerade für seine Nähe zur Unterschicht bekannt. Auf Anfrage hatte er eine Woche später Zeit für ein kleines Interview. Nicht länger als eine Dreiviertelstunde sollte es gehen.

Heinz Buschkowsky ist noch bei seiner Kindheit. „Die 48er“ nennt er die Jahre nach dem Krieg. Damals seien junge Leute noch gebraucht worden, und als Zahnarzt habe man ausgesorgt gehabt. Er selbst scheint ausgesorgt zu haben. Mit Anfang 60 ist er wohlgenährt, zufrieden und lächelt ab und zu sein „Buschkowsky-Lächeln“. Er kommt sehr sympathisch rüber, erkundigt sich gleich zweimal nach unseren Namen, scheint uns ernst zu nehmen, sagt von sich selbst: „Kategorie Opa erzählt vom Krieg“. Er bindet uns ein, es scheint weniger ein Frage-Antwort-Spiel als ein echtes Gespräch zu sein. Auf einmal sind wir diejenigen, die auf seine Fragen antworten. So will er von uns zum Beispiel wissen, wo wir wohnen. Moabit betrachtet er als mitten im Leben, Zehlendorf dagegen sei schon näher an der Wohlstandsverwahrlosung.

Es scheint, als wisse Buschkowsky, wovon er redet. Er ist authentisch, wahrscheinlich nicht zuletzt, weil er schon immer in Neukölln gelebt hat und diesen Bezirk wie seine Westentasche kennt,  natürlich auch den Dönerladen in der Nähe vom Rathaus. Aber ihm ist auch wichtig, dass deutsche Kultur gelehrt wird. Die Glocke von Schiller sollte jeder können. „Menschen sind wie Wasser, sie nehmen immer den leichtesten Weg“ sagt er. Das sei auch der Grund, warum sich die Subkultur immer schneller verbreite als die Kultur: „Kultur ist anstrengend, für Integration aber unbedingt notwendig.“ Dabei scheint es ihm Schiller ziemlich angetan zu haben, er zitiert ihn auf jeden Fall oft.

Heinz Buschkowsky geht auf die Menschen zu, er spricht mit ihnen. „Nicht ausweichen, Angriff oder Flucht“ nennt er das. Bei ihm wohl meistens Angriff. Geflohen ist er ja nie, obwohl seine eigene Partei ihn als Außenseiter ausgrenzte. Außenseiter, weil er als einer von Wenigen etwas von den Migranten forderte, der offen sagte, was wegen der deutschen Vergangenheit ein schwieriges Thema ist. „Wer Analphabeten anwirbt, muss sich nicht wundern, wenn die Eltern beim Pythagoras nicht helfen.“ Das ist ein solcher Satz. Ungern gehört, zumal er direkt die deutsche Integrationspolitik angreift. Nichts mit „Sozialromantik“ wie er es beschreibt, nichts mit „das ruckelt sich schon“.  Buschkowsky nannte die „verschlafene Integration“ als Erster beim Namen. Das hat ihn früher so unbeliebt gemacht – und gerade deswegen, wegen der Art, wie er die Dinge beim Namen nennt, ist er heute so beliebt.

Wie er die Fehler beheben möchte? Auf die Kinder kommt es ihm an. Die Eltern seien egal. Wenn Kinder aus schwierigen Familien mit Migrationshintergrund richtig Deutsch lernen, dann wächst eine neue, hoffnungsvolle Generation heran. Man fragt sich allerdings, ob Buschkowsky selbst das noch erleben wird. Es scheint ihm darauf aber nicht anzukommen, denn zwanzig Minuten erzählt er munter weiter, ohne dass wir eine einzige Frage gestellt hätten. Das Komische ist, dass er dennoch viele beantwortet, ohne sie überhaupt gehört zu haben. Am Ende haben wir genau zwei Fragen gestellt. Die Sekretärin ist viermal reingekommen, um Buschkowsky an seinen Anschlusstermin zu erinnern, wir haben fast zwei Stunden geredet, und nicht zuletzt: Der Herr Bezirksbürgermeister hat uns überzeugt. Und zwar dadurch, dass er aus dem Nähkästchen plauderte. Ohne politische Verklausulierung, ohne sich selbst zu rühmen, ohne jemandem die Schuld zuzuschieben oder die Schuld von seiner Partei zu nehmen. Ganz nebenbei erklärte er seine politischen Ansichten, erzählte uns von Begebenheiten, die er selber in Neukölln erlebt hat, die jedem Berliner auch mindestens einmal passieren, und bei denen jeder Berliner gelegentlich auf die schlechte Integrationspolitik der Vergangenheit schimpft.

Bei diesem Thema berichtet er schmunzelnd vom Anfang einer kleinen Rede, die er vor nicht allzu langer Zeit gehalten hat: Er hat einen Integrationsbericht von 1979 vorgelesen und gefragt, wann der wohl geschrieben worden sei. Er zeigte schon ziemlich detailliert die Probleme, die wir heute auch haben. Was war aber darauf passiert? Nichts! „Einen kleinen Joke“ nennte er diese Einleitung.

Genau so verpackt kommen Buschkowskys Thesen und Meinungen durch seine Art und durch seine offensichtliche Lebenserfahrung sinnvoll, ehrlich und sehr sympathisch rüber. Ich möchte abschließend nicht sagen: „Buschkowsky for president“, aber er zeigt: Es ist möglich. Man kann Politik nahe der Unterschicht führen. Man kann sein politisches Gesicht im Umgang mit gemeinen Themen wie der Integrationspolitik wahren. Und man kann auch als berühmter Buschkowsky immer noch Heinz Buschkowsky bleiben.  

Viktor Kewenig, 16 Jahre

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false