zum Hauptinhalt

Berlin: Schüler setzen sich gegen Rechte zur Wehr

Rechtsextremismus an Berlins Schulen macht sich inzwischen weniger durch martialische Auftritte mit Springerstiefeln als durch Propagandadelikte und Bedrohungen bemerkbar. Im Schuljahr 2000/01 wurden dem Schulsenator mehr als doppelt so viele derartige Vorfälle gemeldet wie im Vorjahr, davon zwei Drittel im Osten der Stadt.

Rechtsextremismus an Berlins Schulen macht sich inzwischen weniger durch martialische Auftritte mit Springerstiefeln als durch Propagandadelikte und Bedrohungen bemerkbar. Im Schuljahr 2000/01 wurden dem Schulsenator mehr als doppelt so viele derartige Vorfälle gemeldet wie im Vorjahr, davon zwei Drittel im Osten der Stadt. Ein Schülernetzwerk will jetzt gegensteuern.

"Die Rechten kleiden sich nicht mehr so auffällig, aber es gibt sie noch", warnt Frank Zander, frisch gekürter Sprecher des neuen "Schülernetzwerks für Menschlichkeit und Toleranz". Er hat beobachtet, wie die NDP vor allem in Bezirken wie Marzahn-Hellersdorf Kinder und junge Leute für sich zu gewinnen sucht. Da werden vorm Schultor CDs des rechtsextremen Liedermachers Frank Rennicke verteilt, oder es wird zu Zeltlagern, Wanderungen und Sportveranstaltungen eingeladen. Der Marzahner Abiturient hat Angst, dass die NDP bei den Jugendlichen immer mehr an Boden gewinnt.

Die Senatsschulverwaltung bestätigt Zanders Eindruck, dass sich die Rechten jetzt unauffälliger verhalten, um auf subtile Art mehr zu erreichen. "In rechtsextemistischen Gruppierungen gilt die Vorgabe, dass sich die Schüler nicht chaotisch benehmen und sich nicht prügeln sollen", sagt Bettina Schubert, die in der Schulverwaltung zuständig ist für Gewaltdelikte und extremistische Vorfälle. Man müsse davon ausgehen, dass das Problem größer ist, als es in den Zahlen zum Ausdruck kommt.

Laut Statistik gab es letztes Schuljahr knapp 50 Vorfälle gegenüber 18 im Vorjahr. Von den Tätern kamen über zwei Drittel aus der Schule selbst, früher war es nur ein Drittel. Umfragen unter Jugendlichen in einigen östlichen Bezirken bescheren der NDP meist einen Stimmenanteil von über 20 Prozent. Vor diesem Hintergrund hatten sich bereits vor einem Jahr Eltern und Lehrer zusammengetan und dazu beigetragen, dass eine groß angelegte Lehrer-Fortbildung bei der Friedrich-Ebert-Stiftung zum Thema "Rechtsextremismus" in Gang kam. Jeder Bezirk erhält jetzt einen "Koordinator gegen Rechtsextremismus", der in seinem Umfeld Informationen über die rechte Szene sammeln soll, Fortbildungen organisiert und Unterrichtsmaterial herstellt.

Die Schüler wollten da nicht zurückstehen. Eine zweitägige Fahrt von 300 Schülern aus Marzahn-Hellersdorf zum KZ Buchenwald am 16./17. September wurde zur Initialzündung. Zwölf Schulen wählten "Multiplikatoren", die Aktionen anschieben sollen. Ein erster Schritt ist am heutigen Donnerstag die gemeinsame Gräberpflege auf dem Jüdischen Friedhof Weißensee anlässlich des Jahrestages der Pogromnacht von 1938. Am Freitag wollen die Schüler rechtsradikale Symbole in ihren Bezirken überstreichen. Bald sollen andere bezirkliche Schüler-Netzwerke dazukommen.

Die Lehrer haben auf Bezirksebene schon erste Aktionen angeschoben. Heiner Knebel, Koordinator in Tempelhof/Schöneberg, will mit allen Lehrern am 22. November über "Rechtsextremismus an Schulen" sprechen und im Januar mit Schülersprechern nach Ausschwitz fahren. Michael Rump-Räuber versucht als Verantwortlicher im Multikulti-Bezirk Neukölln, das Thema als "Dialog der Kulturen" aufzuarbeiten.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false