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Berlin: Schule: Böger entdeckt die Hochbegabten

Wenn Kinder massiv den Unterricht stören, hat dies mitunter einen sehr erfreulichen Grund: überdurchschnittliche Intelligenz. Sie langweilen sich, beginnen zu stören oder bleiben sitzen, weil ihre Fähigkeiten nicht erkannt werden.

Wenn Kinder massiv den Unterricht stören, hat dies mitunter einen sehr erfreulichen Grund: überdurchschnittliche Intelligenz. Sie langweilen sich, beginnen zu stören oder bleiben sitzen, weil ihre Fähigkeiten nicht erkannt werden. Um diese Begabungspotenziale künftig nicht mehr zu verschleudern, sondern rechtzeitig festzustellen, hat die Senatsschulverwaltung zu diesem Schuljahr in Mitte eine zentrale Beratungsstelle eröffnet.

Das Angebot war nach Meinung von Fachleuten überfällig. Immerhin gibt in Berlin rund 8000 hochbegabte Schüler, von denen etwa jeder Fünfte als "Problemkind" gilt, weil er mit der massiven Unterforderung nicht zurechtkommt. Oder weil Defizite wie Legasthenie oder Hyperaktivität die Diagnose der überdurchschnittlichen Intelligenz zusätzlich erschweren. Bisher wurden die betroffenen Familien meist alleingelassen. Bestenfalls erfuhren sie durch Zufall, dass es beim schulpsychologischen Dienst in Treptow eine kompetente - allerdings unter einfachsten Bedingungen arbeitende - Beratung gab. Die verantwortliche Psychologin, Claudia Laube, wurde jetzt von Schulsenator Klaus Böger (SPD) mit dem Aufbau des neuen "Berliner schulpsychologischen Zentrums für Begabungsförderung" betraut. Hier können die Familien kostenlos Beratung finden, unter Umständen wird ein Intelligenztest gemacht. Auch Gespräche mit den Kitas oder Schulen der betroffenen Kinder gehören zum Angebot. Am Ende stehen Vorschläge für die künftige Förderung des Kindes wie vorzeitiges Einschulen, Überspringen von Klassen oder der Besuch einzelner Fächer in oberen Klassenstufen.

Dies klingt zwar beruhigend, löst aber nur einen Bruchteil der Probleme. Erstens ist die neue Beratungsstelle personell und materiell zu dünn ausgestattet, so dass sie den täglich einlaufenden Anfragen kaum gerecht werden kann. Zweitens bleibt es dem Zufall überlassen, ob Eltern die Hochbegabung überhaupt erkennen, und drittens fehlen adäquate Förderangebote für die Fälle, in denen es mit bloßem Überspringen der Klassen nicht getan ist.

"Die Beratungsstelle ist ein schöner Anfang, aber löst das Problem nicht generell", bemängelt denn auch FU-Vizepräsident und Erziehungswissenschaftler Dieter Lenzen. Wenn man Hochbegabung feststelle sei "das Kind oft schon in den Brunnen gefallen". Damit dies nicht passiert, müsse schon bei der Einschulung differenzierter als bisher getestet werden. Dazu brauche man nicht nur Ärzte, sondern auch speziell ausgebildete Lehrer. Dieses Verfahren würde die Früherkennung von Lernbehinderungen erleichtern und auch diesen Kindern zur besseren Förderung verhelfen. Um den einzelnen Kindern generell gerechter zu werden, fordert Lenzen dringend kleinere Klassenverbände, ein verändertes Unterrichtsklima und Ganztagsschulen.

Damit sei es nicht getan, hält die Gesellschaft für das hochbegabte Kind dagegen. Sie fordert zusätzlich Spezialklassen, wie es sie bisher nur vereinzelt im Bundesgebiet gibt. Welchen Weg Berlin beschreitet, soll 2002 entschieden werden. Böger hat eigens eine Kommission eingesetzt, die ein Konzept zur Hochbegabtenförderung erarbeiten soll.

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